Logo

    Die Mütter von Teodora Dimova

    deJune 01, 2014
    What was the main topic of the podcast episode?
    Summarise the key points discussed in the episode?
    Were there any notable quotes or insights from the speakers?
    Which popular books were mentioned in this episode?
    Were there any points particularly controversial or thought-provoking discussed in the episode?
    Were any current events or trending topics addressed in the episode?

    About this Episode

    Im Jahr 2006 haben Bank Austria, Kulturkontakt Austria und der Wieser Verlag den Bank Austria Literaris ins Leben gerufen. Ziel der Auszeichnung, die alle zwei Jahre vergeben wird, ist es, Werken von Autorinnen und Autoren aus dem Osten und Südosten Europas im deutschsprachigen Raum Gehör zu verschaffen und so auf die spannende, literarische Vielstimmigkeit dieser Region hinzuweisen. Erste Preisträgerin war Teodora Dimova mit dem Buch das heute Thema sein wird. „Meikite – Die Mütter“ in der im Wieser Verlag erschienenen Übersetzung von Alexander Sitzmann.

     

    Teodora Dimova ist eine der wichtigsten jüngeren Autorinnen Bulgariens. Sie ist 1960 in Sofia geboren, hat Anglistik studiert, einige Theaterstücke geschrieben und arbeitet an der Abteilung für Schauspiel im nationalen bulgarischen Radio. Ein großer Erfolg war ihr Theaterstück „Die Unschuldigen“, das sich dem Thema der Gewalt und der Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen widmet. Mit „Die Mütter“ hat Dimova den selben Stoff nun als Roman verarbeitet und eben dafür den „Großen Preis für osteuropäische Literatur“ erhalten.

    Ausgangspunkt ihres Interesses war ein Verbrechen, das die bulgarische Gesellschaft verstörte. Zwei 14-jährige Mädchen töteten eine Mitschülerin, aus Lust am Quälen oder auch nur aus Langeweile. Diese Tat ereignete sich allerdings nicht in der Provinz, sondern in einem eher besseren Viertel der Hauptstadt Sofia. Die Zeitungen waren voll damit und mit Geschichten von Gewalt von Kindern. Wie kommt es, dass Kinder so gewaltsam werden? Die beiden Vierzehnjährigen kamen nicht aus zerrüttetem Umfeld. Ihre Familien waren ziemlich normal, nicht arm, nicht reich. Kurz: Aus der Mitte der Gesellschaft.

    Recent Episodes from Bücher-Wahl

    Da weiß man, sie brauchen dich!

    Da weiß man, sie brauchen dich!

    Josef – Sepp – Schimböck wurde 1947 in Windhaag bei Freistadt geboren, verbrachte dort seine Kindheit und kehrte nach seine Ausbildung zum Volksschullehrer auch wieder dorthin zurück. Schimböck engagierte sich neben seiner beruflichen Tätigkeit auch im kulturellen Leben Oberösterreichs. Neben dem Blasmusikverband und seiner Tätigkeit als Chorleiter war er auch wesentlich am Fest der Volkskultur 2018 involviert und verdiente sich auch Meriten um die Vermittlung des Werkes von Anton Bruckner und als Blasmusikant.

    Im Interview mit Andi Wahl erzählt Schimböck von seiner Familie und seiner Kindheit in Windhaag bei Freistadt. Zahlreichen Umzügen, wie sein Vater das Schicksal des Erblindens meisterte und er zu einer Stütze des kulturellen Lebens in Windhaag wurde.

    111 Orte in Südböhmen

    111 Orte in Südböhmen

    Das Autor_innen-Duo Brigitte Temper-Samhaber und Thomas Samhaber hat eine Ausgabe des im emos-Verlag erscheinenden alternative Reiseführer „111 Orte die man gesehen haben muss“ verfasst. Die beiden haben 111 Orte in Südböhmen identifiziert an denen man Südböhmen von seinen ungewöhnlichen Seiten kennen lernen kann. Die Auswahl ist natürlich subjektiv gefärbt und sagt auch einiges über die Autor_innen. Ein gleichzeitig lehrreiches und amüsant zu lesendes Werk dem man auch anmerkt, dass sich hier zwei Liebhaber_innen Südböhmens an den Schreibtisch gesetzt haben. Die ebenfalls beeindruckenden Bilder haben im Übrigen Karin und Gerhard Schulz beigesteuert.

    Amüsante Graphic Novels zur Menschheitsgeschichte

    Amüsante Graphic Novels zur Menschheitsgeschichte

    In dieser Ausgabe möchte ich mich mit den vierbändigen Werk des israelischen Historikers Yuval Noah Harari „Sapiens“ beschäftigen. Diese vierbändige Graphic Novel basieren auf dem von Harari 2011 zuerst in hebräischer Sprache herausgebrachte Werk „Eine kurze Geschichte der Menschheit“. Sehr rasch wurde dieses Buch ins Englische übersetzt und 2013 lag auch eine deutsche Übersetzung aus dem Englischen vor. Das Buch entwickelte sich zu einem Erfolg. Bereits 2018 war es in knapp 50 Sprachen übersetzt und ging mehr als 10 Millionen mal über den Ladentisch.

    Gründe für diesen Erfolg sind wohl die populärwissenschaftliche Ausrichtung des Buches und die sehr amüsante Erzählweise die Harari in diesem Buch wählte. Und Harari beweist in seiner kurzen Geschichte der Menschheit wirklich Mut. Bricht er doch mit dem ehernen Gesetz der Wissenschaft: Sich ausschließlich zu Fragen des eigene Fachgebiet zu äußern. Harari aber bezieht in seinem Buch auch Naturwissenschaften und Psychologie mit ein. Entsprechend war auch die Rezeption. Von der Literaturkritik wurde das Buch überwiegend positiv aufgenommen. Wohingegen Fachkolleginnen und Fachkollegen zu einem differenzierteren, oftmals ablehnenden Befunde gelangten.

    Bücher-Wahl
    deFebruary 06, 2022

    Ich habe mich in die Köpfe der drei Schwestern hineinerfunden

    Ich habe mich in die Köpfe der drei Schwestern hineinerfunden

    Der vom Vorarlberger Autor Bastian Kresser 2019 vorgelegte Roman, „Die andere Seite“, hat mich tief beeindruckt. Daher habe ich mich sehr gefreut, als mir der Braumüller-Verlag mitteilte, dass Kresser ein neues Buch geschrieben hat. Dieses Buch, mit den Titel „Klopfzeichen“, ist nun etwas ganz anderes als sein Buch aus 2019.

    Klopfzeichen ist ein historischer Roman der sich um das Leben der drei Fox-Schwestern dreht, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch ihre Tätigkeit als Spiritistinnen berühmt wurden. Diese Drei Schwestern existierten tatsächlich und Kresser hat auch einiges an historischem Material für seinen Roman verwendet. In einem Telefoninterview habe ich Kresser gefragt wie er zu diesem Stoff gekommen ist.

    In der Sendung hören Sie dieses Telefoninterview mit dem Autor in dem wir über den Roman, seine Beweggründe ihn zu schreiben und seine Arbeitsweise sprechen.

    Dazu gibt es – ohne jeglichen inhaltlichen Zusammenhang – bulgarische Musik.

    Das Bild von Bastian Kresser hat Stefan Wilfinger gemacht.

    Frauen die ihren Weg gehen

    Frauen die ihren Weg gehen

    Im Mai diese Jahres ein weiterer Band der Freistädter Geschichtsblätter erschienen. „Frauen die ihren Weg gehen“, so der Titel des Bande, befasst sich mit dem Leben und dem Wirken von Frauen in Freistadt. Es handelt sich also um eine Schwerpunktausgabe der Freistädter Geschichtsblätter die seit 1950 erscheinen.
    Verfasserin des 21sten Bandes dieser Reihe ist Mag.a. Nicole Wegscheider, ihres Zeichens Leiterin des Mühlviertler Schlossmuseums Freistadt. Andi Wahl hat mit Nicole Wegscheider ein Gespräch über die Arbeit an diesem Buch geführt, dass Sie in dieser Sendung hören können.

    Bücher-Wahl
    deJuly 03, 2021

    Was ist wahren Heldentum?

    Was ist wahren Heldentum?

    Leonora Leitl, Illustratorin sowie Kinder- und Jugendbuchautorin, hat 2020 ihr Jugendbuch „Held Hermann – Als ich Hitler im Garten vergrub“ vorgelegt. Darin erzählt sie aus Sicht eines zwölfjährigen Buben das letzte Kriegsjahr 1944/45 in Freistadt. Hermann ist ein abenteuerlustiger Bursche aus einer sozialdemokratischen Familie. Der Vater ist bei der Fliegerabwehr in St. Valentin eingesetzt und die Mutter bringt mit viel Kraft und ab und zu eiserner Hand die kleine Familie über die Runden. Nach und nach entdeckt Hermann, dass seine Eltern sowie sein Bruder sich bei der Widerstandsgruppe „Neues Freies Österreich“ engagieren und bemerkt in welcher Gefahr sich seine Familie befindet und erkennt den Ernst der Lage. Und er erkennt worin Heldentum besteht.

    Leitl bleibt bei ihren Schilderung der Ereignisse aus 1944/45 sehr nahe an den tatsächlichen historischen Gegebenheit. Die Widerstandsgruppe wird verraten und 8 Männer werden am 1. Mai 1945 (am 8. Mai kapitulierte das Deutsche Reich), wahrscheinlich auf Druck von Gauleiter August Eiguber, in Treffling bei Linz hingerichtet. Zudem kommt es in Freistadt auch zu nationalsozialistischen Gräueltaten, wie die Sozialistenmorde im April 1945.

    Besonderes Augenmerk legte die Autorin auch auf die Schilderung des Alltagslebens in dieser Zeit. Dabei scheut sie auch nicht davor zurück ihre junge Leser_innenschaft mit Handlungsweisen und einer Sprache zu konfrontieren die heute nicht mehr zeitgemäß sind.

    Leitl gelingt es historische Nähe und spannende Fiktion so zu verweben, dass man das Buch nur widerwillig aus der Hand legt, und das auch nur um die tatsächlichen Ereignisse genauer zu recherchieren. Ein wirklich gelungenes Buch das – so mein Eindruck – geeignet ist junge Menschen für historische Ereignisse zu interessieren.

    Im Gespräch mit Andi Wahl erzähl Leonora Leitl weshalb sie dieses Buch schreiben musste und welche Überlegungen sie dabei anstellte.

    Das offene Ende gehört zu meinem Stil

    Das offene Ende gehört zu meinem Stil

    Wie treue Hörerinnen und Hörer dieser Sendung wissen, lege ich hier einen Schwerpunkt auf zeitgenössische tschechische Literatur. Eine Schriftstellerin die man sich nur äußerst ungern aus dem tschechischen Literaturschaffen wegdenken möchte ist Iva Procházková.

    Die 1953 in Ölmütz geborene Procházková emigrierte 1983 aus ihrer tschechoslowakischen Heimat nach Österreich und später nach Deutschland, auch, weil sie ihre schriftstellerische Tätigkeit in der Tschechoslowakei nicht frei entfalten konnte. Vor allem in Deutschland machte sie sich einen Namen als Jugendbuchautorin.

    Seit der politischen Wende erschienen Procházkovás Bücher auch wieder in ihrer alten Heimat. 1995 kehre Sie nach Tschechien zurück und lebt heute in Prag.

    Nun ist im Braumüller-Verlag ein neues Buch von Procházková in deutscher Übersetzung erschienen. Die Residentur, so der Titel, erzählt in mehreren Strängen von die starke Einflussnahme Russlands auf die Staaten des ehemaligen Ostblocks und auf seine heutigen Nachbarstaaten. Hier kommt alles vor was ein Thriller braucht. Leidenschaft, Hinterhältigkeit, Spannung, dubiose Gefahren und Mächte sowie gute Menschen die sich gegen all das Böse stemmen. Ja sogar eine beachtliche Läuterung hat Procházková in ihren Thriller eingebaut. Eine Residentur – das braucht man zum Verständnis des Buches – ist eine Niederlassung eines Staates in einem anderen Staat die, mehr oder weniger verdeckt, der Spionage und Einflussnahme im Gastland dient.

    Ein sehr mitreißendes Buch, dass mir aber auch vor Augen geführt hat, dass ich viel zu wenig über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in unserem Nachbarland Tschechien weiß. Das ist aber mein Manko, dass ich auf meine eigene Kappe nehmen muss. Vieles in diesem Thriller habe ich auch eigenem Unvermögen nicht verstanden. Aber – die Segnungen der Technik erlauben uns ja mit Menschen über weite Strecken zu kommunizieren. Daher habe ich Frau Procházková angerufen und mit ihr über die Hintergründe zu ihrem spannenden Roman zu sprechen. Hören Sie nun hier diese Gespräch in dem Procházková auch zur aktuellen Situation in Tschechien und im „erweiterten“ Einflussbereichs Russlands Stellung bezieht.

    Bücher-Wahl
    deJanuary 28, 2021

    Dieses Buch hat mich voll erwischt!

    Dieses Buch hat mich voll erwischt!

    Die deutsche Schriftstellerin Herma Kennel hat vier Jahre zu einem Buch recherchiert und daran geschrieben. Das ist nichts ungewöhnliches, aber, so meine ich, das Ergebnis dieser Arbeit ist sehr wohl außergewöhnlich. In BergersDorf beschreibt sie die Verstrickungen der deutschsprachigen Bevölkerung in der deutschen Sprachinsel rund um Iglau (tschechisch Jihlava) in er Zeit der deutschen Besetzung (1939-1945). Und sie beschreibt die Racheakte der tschechoslowakischen Bevölkerung an den „Deutschen“. Dabei bleibt sie immer ganz dicht am recherchiertem historischen Material. Mit bemerkenswerter Akribie und wohl auch sehr viel Fleiß sprach sie mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, forschte in Tschechischen und Deutschen Archiven und hob Dokumente aus. Das Staatsarchiv Prag sandte ihr hunderte Kopien über Vorgänge in Böhmen und Mähren aus der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs und im Mährischen Landesarchiv Brünn konnte sie wichtige Dokumente zu Bergersdorf einsehen. Auf Grundlage dieser Materialfülle verfasste sie einen überaus dichten Tatsachenroman der stehts sehr nahe an den historischen Ereignissen bleibt. Diese genauen Recherchen veranlasste die tschechische Kriminalpolizeit sogar zu Ermittlungen und zum Aufspüren eines Massengrabes, dass 2010 ausgehoben wurde. Die DNA-Analysen, 7 Jahre nach erscheinen des Buches, bestätigten die Angaben die Kennel in ihrem Roman machte. 2011 erschien das Buch dann auch in tschechischer Übersetzung.

    Als nach dem Münchner Abkommen, 1938, das Sudetenland von Deutschland besetzt wurde, waren die Deutschen in Iglau enttäuscht, dass nicht auch sie von Hitler „heim ins Reich“ geholt wurden. Dies wurde aber durch die Besetzung der sog. Rest-Tschechei, im Mai 1939, nachgeholt.
    Hier setzt der Roman von Herma Kennel ein. Die deutschsprachige Bevölkerung in und um Iglau begreift diese Annexion als Befreiung. Auch im 12 km von Iglau entfernten Bergersdorf in dem der Bauer Wenzel Hondl seit 20 Jahren Bürgermeister und ein anerkannte und geachteter Mann ist.
    Als der SS-Obergruppenführer Gottlob Berger auf das Dorf – dass wie er heißt – aufmerksam wird, verleiht er dem Dorf den Ehrentitel „SS-Dorf“. Und tatsächlich treten ungewöhnlich viele Burschen und Männer aus Bergersdorf der SS bei. So wird aus dem landwirtschaftlichen Musterdorf Bergersdorf – Bergers Dorf. Also das Patendorf von SS-Obergruppenführer Gottlob Berger. Eine Ehre, die die deutschen Bewohner nach der Kapitulation Deutschland im Mai 1945 mit Mord, Folter und Vertreibung bezahlen. Bürgermeister Wenzel Hondl wird gefoltert und stirbt am 17. Mai 1945 an den Folgen dieser Folter. Im nahegelegenen Dobrenz wurden am 19. Mai gegen Mitternacht mehr als ein Dutzend eingesperrter deutscher Männer von betrunkenen Tschechen zu einer Wiese unweit des Dorfes getrieben. Bei strömendem Regen mussten die Deutschen ihre Gräber ausheben, danach schlugen die Betrunkenen mit Schaufeln, Spitzhacken und Spaten auf die Wehrlosen ein. Die Getöteten wurden in aller Eile in die flachen Gruben geworfen und mit Erde bedeckt. Danach machten sich die Täter zum Wirtshaus auf. Einer der Mörder prahlte, er habe den größten Bauern mit einem einzigen Schlag zerteilt. Im Dorf wussten es alle, verschwiegen jedoch ihr Wissen –jahrzehntelang. Dieses Verbrechen wurde – angeregt durch diesen Roman – 2010 von der tschechischen Kriminalpolizei unter der Leitung des Chefermittlers Michal Laška nochmals aufgerollt. Die vergrabenen Leichen wurden exhumiert und 2012 nochmals bestattet.

    Das wirklich Bemerkenswerte an dem Buch ist, dass Herma Kennel einen Teil ihrer Familiengeschichte thematisiert. Bürgermeister Hondl war der Großvater ihres Ehemanns und Kennel wurde auch von ihrer Schwiegermutter aufgefordert sich mit den Geschehnissen in Bergersdorf zu befassen. Dennoch wahrt Kennel einen fast wissenschaftlichen Abstand zu den Geschehnissen – und wurde nach Erscheinen des Buches dafür auch von ehemaligen SS-Angehörigen gescholten. Ein weiterer bemerkenswerter Umstand ist, dass dieses Buch in eine Zeit fällt in der sich die tschechische Öffentlichkeit immer mehr für die „historische Wahrheit“ der Vertreibungen deutschsprachiger Landsleute interessiert. Es kommt also zur rechten Zeit. Mehr noch. 2003 erschienen hat das Buch dieses Interesse schon vorweg genommen.
    Dringende Leseempfehlung für Menschen die sich für eine die Verheerungen der deutschen Besetzung und den daraus resultierenden Folgen interessieren. Keine leichte Kost – das Buch liegt einem lange wie ein Ziegelstein im Magen. In seiner zurückhaltenden Art hat mich dieses Buch mit voller Wucht erwischt hat mich umgehauen!

    Herma Kennel: BergersDorf, 2003, Vitalis-Verlag, Prag

    Bücher-Wahl
    deJanuary 04, 2021

    Ein Meilenstein österreichisch-tschechischer Geschichtsschreibung

    Ein Meilenstein österreichisch-tschechischer Geschichtsschreibung

    2019 ist im Verlag Bibliothek der Provinz ein 400-Seiten-starkes österreichisch-tschechisches Geschichtsbuch erschienen. Es trägt den schlichten Titel „Nachbarn“. Dieser Titel führt ein wenig in die Irre, handelt es sich doch nicht – wie man annehmen könnte – um eine Beziehungsgeschichte zwischen Österreich und Tschechien, sondern viel mehr um die Darstellung der österreichischen und der tschechischen Geschichte ab dem Mittelalter. Wobei natürlich gesagt werden muss, dass je weiter das Buch in der Geschichte voranschreitet die Beschreibungen immer dichter werden. Das Mittelalter und die frühe Neuzeit handeln die Historiker Hanns Haas und Luboś Velek in gut 25 Seiten ab.
    Und da sind wir schon bei der besonderen Besonderheit dieses Buches. Außer, dass es gut lesbar ist und sich an die breite Öffentlichkeit wendet sowie reich an mühsam zusammengetragenen Bildmaterial ist, weißt es auch eine ganz besondere Machart auf. Alle Beiträge des Buches sind nämlich gemeinschaftlich verfasste Texte von österreichischen und tschechischen Historikerinnen und Historikern. Es ist also nicht ein Ansammlung von Aufsätzen die besondere Aspekte beleuchten, sondern die jeweiligen historischen Abschnitte der beiden Länder werden in einem Text erzählt und streckenweise ineinander verwoben. Zudem wurde das Buch von einem breiten Prozess begleitet in dem immer auch die Öffentlichkeiten beider Länder miteinbezogen wurden.
    Damit kommt „Nachbarn“ einem Ideal gemeinschaftlicher Geschichtsschreibung und Geschichtsaushandlung sehr nahe. Näher als irgend ein anderes Buch, dass ich kenne.
    Und ich wage hier eine Prophezeiung: Dieses Buch wird nicht nur ein Standardwerk werden, sondern es wird neue Maßstäbe in der Geschichtsschreibung setzen, vor allem in der populären Geschichtsschreibung – also in jener Geschichtsschreibung die sich vor allem an die Öffentlichkeit und nicht an ein Fachpublikum richtet.
    Von Anfang an bis zur Gegenwart war der österreichische Historiker Niklas Perzi an maßgeblichen Stelle in diesem Buchprojekt beteiligt. Er ist einer der 4 Herausgeber und hat auch einen Teil der Übersetzungen besorgt. Zudem hat er sich um die Finanzen und weitere tausend Kleinigkeiten gekümmert. Hören Sie hier ein Telefoninterview mit Niklas Perzi.

    Ein wertvolles Zeitzeugnis

    Ein wertvolles Zeitzeugnis

    In dieser Sendung möchte ich Ihnen ein Buch vorstellen, dass mich tief beeindruckt hat. Ohne, dass ich ein spezielles Kriterium nennen zu können weshalb es mich beeindruckt hat. Vielleicht ist es die Unaufgeregtheit, vielleicht aber auch die Zurückhaltung der Verfasserin des Buches, die kürzlich verstorbene Lid Winiewicz. Winiewicz erzählt darin die Lebensgeschichte einer Mühlviertler Bäuerin und lässt ihrer Figur sehr viel Raum. Die in Ichform verfassten Erinnerungen gliedern sich in relativ kurze Abschnitte – so wie Menschen eben aus ihrem Leben erzählen. Und auch in der Sprache bleibt Winiewicz sehr nahe am Erzählton ihrer Protagonistin. Winiewicz schreibt in einer Vorbemerkung des Buches: „Ich hatte einmal ein Haus im Mühlviertel. Meist stand es leer. Die Bäuerin von nebenan, die einen Schlüssel verwahrte, gestand eines Tages, schuldbewußt, sie säße oft in meiner Stube, wenn niemand da sei, und dächte an die Vergangenheit. Ich fragte nach Einzelheiten, sie antwortete. So entstand das Buch Späte Gegend, eine Art Reisebericht aus einem fernen Land. zwei Autostunden von Wien.

    Das Buch Späte Gegend – Protokoll eines Lebens ist 1986 also vor 34 Jahren erstmals im Zsolnay Verlag erschienen und wurde nun vom Braumüller-Verlag neu aufgelegt. Entsprechend weit, nämlich in die Zeit der Monarchie, reichen die Erzählungen der Mühlviertler Bäuerin zurück. Auch deshalb ist das Buch, wie Winiewicz schreibt, „eine Art Reisebericht aus einem fernen Land“.

    Eine unbedingte Leseempfehlung für alle die sich für Oralhistorie, Alltagsgeschichte und das Leben „kleiner Leute“ interessieren.