Logo

    80. Innsbrucker Gender Lecture mit Susanne Schulz

    deDecember 05, 2023
    What was the main topic of the podcast episode?
    Summarise the key points discussed in the episode?
    Were there any notable quotes or insights from the speakers?
    Which popular books were mentioned in this episode?
    Were there any points particularly controversial or thought-provoking discussed in the episode?
    Were any current events or trending topics addressed in the episode?

    About this Episode

    Die Politik des Kinderkriegens

    Feministische Perspektiven auf demografische Krisennarrative und dis/reproduktive Technologien

    Zu viel Bevölkerung oder zu wenig? Wer soll Kinder bekommen und wer vom Gebären abgehalten werden? Und welche Kinder sollen geboren werden und welche lieber nicht?

    Kinderkriegen ist eingebunden in mächtige Regierungsstrategien, die auf Körper und Bevölkerungen abzielen. Auch heute gibt es weiter ein malthusianisches Denken, das fast alle Krisen unserer Zeit zu Bevölkerungsproblemen umdeutet. Dies zeigt sich in einer „demografisierten“ Klimadebatte ebenso wie in repressiven globalen Verhütungsprogrammen. Der Status quo von sozialer Ungleichheit, Rassismus und globaler Zerstörung bleibt dabei unberührt. Es ist insofern wichtig, das demografische Denken zu sezieren – auch in Bezug auf deutsche Kinderwunsch-, Familien- und Migrationspolitik.

    Susanne Schultz forscht zu Bevölkerungspolitik und Machtverhältnissen im Bereich der Reproduktion und der Humangenetik. Sie ist Beirätin des Gen-ethischen Netzwerks e.V. Berlin und Mitglied des Herausgeber*innenkollektives Kitchen Politics.

    Ihr aktuelles Buch heißt: Die Politik des Kinderkriegens. Zur Kritik demografischer Regierungsstrategien (transcript: Bielefeld 2022).

     

    Recent Episodes from Innsbrucker Gender Lectures

    81. Innsbrucker Gender Lecture mit Karin Neuwirth: De- und Re-Institutionalisierung von Elternschaft im Recht im 20. /21. Jahrhundert in Österreich

    81. Innsbrucker Gender Lecture mit Karin Neuwirth: De- und Re-Institutionalisierung von Elternschaft im Recht im 20. /21. Jahrhundert in Österreich

    Erst in den 1970er Jahren wurden die patriarchalen Vorrechte des Mannes im österreichischen Ehe- und Kindschaftsrecht beseitigt. Die Definition von Familie als verschiedengeschlechtliches, verheiratetes Paar mit Kindern blieb dabei unverändert. Gleichzeitig sah der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch unverheiratete Eltern und ihre Kinder vom grundrechtlichen Schutz des Rechts auf Familienleben erfasst, und seit Beginn des 21. Jh. bestätigt der EGMR dieses Recht auch für gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern. Obwohl die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Österreich im Verfassungsrang steht, stieß das Parlament keine diesbezüglichen Rechtsreformen an. So musste der Verfassungsgerichtshof im Wege der Aufhebung gleichheitswidriger Normen Neuerungen erzwingen und unzulässige Diskriminierungen im Familienrecht beseitigen. Damit kam es 2013 zur endgültigen Überwindung der rechtlichen Unterscheidung zwischen in- und außerhalb einer Ehe geborener Kinder bzw. der Kinder von hetero- oder homosexuellen Eltern, weiters 2015 zur Reform des Fortpflanzungsmedizinrechts und schließlich 2019 zur Öffnung von Ehe und eingetragener Partnerschaft unabhängig von Geschlecht oder sexueller Orientierung. Aktuell wird – ebenfalls durch Spruch des VfGH veranlasst – eine Neuregelung des Abstammungsrechts vorbereitet, die die Fortpflanzungsfreiheit und die soziale Elternschaft stärken soll.

    Der Vortrag wird neben einer kurzen Darstellung dieser Entwicklungen insbesondere der Frage nachgehen, ob nunmehr alle Eltern-Kind-Verhältnisse bzw. das Rechtsinstitut Familie diskriminierungsfrei geregelt sind oder weitere Reformen notwendig wären. Grundsätzlich geht der österreichische Gesetzgeber von einer Zwei-Eltern-Familie als Grundmodell aus und das Verbot der Leihmutterschaft soll weiterhin aufrecht bleiben, was sowohl Frauen als auch Männer in bestimmten Konstellationen hinsichtlich ihrer Reproduktionsfreiheit ungleich behandelt. Behörden und Gerichte anerkennen durch Bestätigung ausländischer Abstammungsnachweise zwar den faktischen Fortpflanzungstourismus und erleichtern so die reale und rechtliche Lage etlicher Familien; Rechtsgarantien bestehen jedoch nicht. Auch in Zusammenhang mit Adoptionen oder sogenannten Co-Parenting-Vereinbarungen müssen die Gerichte immer wieder tätig werden, und Stiefeltern- und Patchwork-Familien sind gesellschaftliche Realität. Wäre es somit juristisch nur konsequent, Elternschaft tatsächlich neu zu denken und zu fordern, dass mehr als zwei Personen rechtliche Eltern eines Kindes sein können?

    Karin Neuwirth, Dr.in iur., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und stellvertretende Institutsvorständin am Institut für Legal Gender Studies an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Sie ist in der universitätspolitischen Gleichbehandlung engagiert und Vorsitzende der Schiedskommission der JKU, Mitglied der interdisziplinären Sektion Familienforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie sowie Mitglied der Österreichischen Gesellschaft für Geschlechterforschung.

    Ihre Forschungsschwerpunkte sind Antidiskriminierungsrecht, Geschlechterverhältnisse und (historisches) Familienrecht.

    Veröffentlichungen zum Thema der Lecture:

    • Vater, Mutter, Elternteil – und wer weiter? iFamZ 2023, 6–8;
    • Vom Ehekonzept des ABGB zur Pluralität familiärer Lebensformen, in Ulrich/Greif/Neuwirth (Hrsg), Kritisches Rechtsdenken I. Von der feministischen Rechtsgeschichte zu Legal Gender Studies (2020) 209–245;
    • Elternschaft neu oder wie viele Elternteile braucht ein Kind? Blogbeitrag in Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht, https://www.juwiss.de/52-2015/.

    Kommentar: Caroline Voithofer, Institut für Theorie und Zukunft des Rechts, Universität Innsbruck
    Moderation: Monika Niedermayr, Institut für Zivilrecht, Universität Innsbruck

    80. Innsbrucker Gender Lecture mit Susanne Schulz

    80. Innsbrucker Gender Lecture mit Susanne Schulz

    Die Politik des Kinderkriegens

    Feministische Perspektiven auf demografische Krisennarrative und dis/reproduktive Technologien

    Zu viel Bevölkerung oder zu wenig? Wer soll Kinder bekommen und wer vom Gebären abgehalten werden? Und welche Kinder sollen geboren werden und welche lieber nicht?

    Kinderkriegen ist eingebunden in mächtige Regierungsstrategien, die auf Körper und Bevölkerungen abzielen. Auch heute gibt es weiter ein malthusianisches Denken, das fast alle Krisen unserer Zeit zu Bevölkerungsproblemen umdeutet. Dies zeigt sich in einer „demografisierten“ Klimadebatte ebenso wie in repressiven globalen Verhütungsprogrammen. Der Status quo von sozialer Ungleichheit, Rassismus und globaler Zerstörung bleibt dabei unberührt. Es ist insofern wichtig, das demografische Denken zu sezieren – auch in Bezug auf deutsche Kinderwunsch-, Familien- und Migrationspolitik.

    Susanne Schultz forscht zu Bevölkerungspolitik und Machtverhältnissen im Bereich der Reproduktion und der Humangenetik. Sie ist Beirätin des Gen-ethischen Netzwerks e.V. Berlin und Mitglied des Herausgeber*innenkollektives Kitchen Politics.

    Ihr aktuelles Buch heißt: Die Politik des Kinderkriegens. Zur Kritik demografischer Regierungsstrategien (transcript: Bielefeld 2022).

     

    79. Innsbrucker Gender Lecture mit Bet­tina Bock von Wül­fin­gen

    79. Innsbrucker Gender Lecture mit Bet­tina Bock von Wül­fin­gen

    Zeugung unter dem Mikroskop 1850er bis 1900

    Wie zwischen Biologie und Bürgerlichem Gesetzbuch die moderne Kleinfamilie entstand und das Problem der Erbschaft löste

    Wenn Spermium und Eizelle sich bei der Zeugung vereinigen, geben beide ihr Erbmaterial an den Embryo weiter. Dieser seinerzeit revolutionäre biologische Befund von 1875 hatte weitreichende Folgen, nicht zuletzt für das Erb- und Familienrecht. Denn aus der Erkenntnis, dass väterliche und mütterliche Anteile an die Nachkommen weitergegeben werden, resultierten politische Fragen der Gleichberechtigung und der Verteilungsgerechtigkeit.
    Solche Themen waren speziell im Deutschen Kaiserreich virulent, als zwischen 1870 und 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch entstand. Das BGB legte die Grundlage für das Verständnis von Familie als biologischer Einheit, Wirtschaftsgemeinschaft und von geschlechtlicher Arbeitsteilung, wie sie bis in das 21. Jahrhundert hinein wirksam geblieben ist.

    Bettina Bock von Wülfingen ist freiberufliche Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der Lebenswissenschaften. Sie war 2021/2022 für ein Jahr Vertretungsprofessorin für Historische Wissenschaftsforschung an der Universität Bielefeld und im Anschluss Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie (KA/EE) der Universität Münster. Sie ist Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik (GWMT).

    Kommentar: Flavia Guerrini, Institut für Erziehungswissenschaften, Universität Innsbruck
    Moderation: Ina Friedmann, Institut für Zeitgeschichte, Universität Innsbruck

    78. Inns­bru­cker Gen­der Lec­ture mit Katha­rina Klapp­heck

    78. Inns­bru­cker Gen­der Lec­ture mit Katha­rina Klapp­heck

    Disabled Protocols. Politiken der Unmöglichkeiten.

    Katharina Klappheck, Gunda Werner Institut, Heinrich Böll Stiftung

    Künstliche Intelligenz (KI) als digitale Infrastruktur ruft Fragen nach ihrer Produktionsweise auf. Wer stellt scheinbar unsichtbare Techniken her? Auf welchen materiellen Begebenheiten fußen sie? Wer bezahlt für ihren Einsatz?

    In diesem Vortrag möchte ich diesen Fragen aus einer behinderten Perspektive nachgehen. Meine These dabei lautet, dass Behinderung eine Möglichkeitsbedingung von KI ist. Dabei reichen diese Verwurzelungen von den Anfängen der Wissenschaftsdisziplinen bis in die Gegenwart. Bereits Donna Haraway verwies in den 80iger Jahren auf die nicht zu trennende Geschichte von Behinderung im 20. Jahrhundert und die neuaufkommenden Informationstechnologien.

    Behinderung, so die These, ist dabei immer die Grenze von KI, etwas was sowohl das Scheitern dieser Technologie, als auch ihre vermeintlichen Erfolge als transhumanes Artefakt symbolisiert. Einerseits ist Behinderung der Moment, den KI versucht zu überkommen, die scheinbare menschliche Schwäche, das Imperfekte, anderseits ist Behinderung innerhalb des Produktionsfeldes KI eine der lukrativsten Schnittstellen von Mensch und Technologie, wie smarte Prothesen oder verhaltensregulierende Apps für neuroqueere Menschen.

    Aus dieser Ambivalenz ergeben sich sowohl Momente der Unterdrückung als auch subversives Potential. So ermöglichen Schnittstellen immer auch das Hacken dieser vorweg. Die Möglichkeit zu einer anderen Welt bildet dabei den kritischen Fluchtpunkt für Überlegungen hinsichtlich alternativer Designs und Politiken digitaler Infrastrukturen.

     

    Kurzbiographie

    Katharina Klappheck M.A. ist behinderte Politikwissenschaftler*in.

    They beschäftigt sich mit Behinderung, Queernes und KI, sowie Design als Politik.

    Katharina Klappheck arbeitet hierzu unter anderem an der Technischen Universität Dresden und dem deutschen Bundestag.

    Momentan ist Katharina Klappheck Head of Feminist Internet Policy am Gunda Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung.

     

    Moderation: Lisa Pfahl, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Innsbruck

     

    Kommentar: Katta Spiel, Research Unit for Human Computer Interaction, Technische Universität Wien
    Katta Spiel ist derzeit FWF Hertha-Firnberg Post-Doc an der HCI Group der Technischen Universität Wien, mit dem Projekt “Exceptional Norms: Marginalised Bodies in Interaction Design”.

    Im Rahmen der Dissertation hat Katta die Erfahrungen autistischer Kinder in technologischen Zusammenhängen untersucht und ein Konzept für Partizipative Evaluation entwickelt.

    Katta verfügt über eine Grundausbildung in Medienkultur (B.A.), Mediensystemen (B.Sc.) sowie einen Master in Computer Science and Media (M.Sc.) welche an der Bauhaus Universität Weimar absolviert wurden und hat das Doktorat im Bereich Mensch Maschine Interaktion 2018  an der TU Wien abgeschlossen.

    Katta beschäftigt sich mit marginalisierten Perspektiven auf Technologie um kritisches Design und Technologiegestaltung zu informieren. Diese Arbeit spielt sich an der Schnittstelle von Informatik, Design und Kritischer Theorie ab. Dabei bezieht sich Katta auf Methoden des (Kritischen) Partizipativen Designs sowie Action Research. Kollaborationen mit neurodivergenten und/oder nicht-binären Personen haben dabei schon Erkundungen von neuwertigen Potentialen für Design, methodischen Entwicklungen in der Mensch-Maschine Interaktion sowie innovativen technologischen Artefakten geführt.

    Hannah Fitsch: Extreme brains. Körpernormierungen, neue Bezüglichkeiten und Subjektivierungsweisen des Digitalen am Beispiel der Neurowissenschaften.

    Hannah Fitsch: Extreme brains. Körpernormierungen, neue Bezüglichkeiten und Subjektivierungsweisen des Digitalen am Beispiel der Neurowissenschaften.

    Der Vortrag stellt die historische Entwicklung einer Mathematisierung der Wahrnehmung (Fitsch 2022) vor und zeigt auf, wie sich deren vermessenden und probabilistischen Logiken mittels Digitalisierung in gegenwärtige Körpernormierungen und Subjektivierungsweisen einschreiben konnten. Den Wunsch, das komplexe Gefüge von Körpern, Gehirnen und Denkprozessen zu formalisieren gibt es schon seit Jahrhunderten. Durch die Implementierung einer mathematischen Logik in binäre/informatische Technologien des Digitalen und künstlicher Intelligenz, konnten epistemologische Methoden und Modelle aus der Mathematik und der Informatik Eingang in die Neurowissenschaften, die Ideen des Denkens und dem Konzept des freien Willens erhalten.

    Hannah Fitsch (Dr. phil.) ist feministische Wissenschafts- und Techniksoziologin mit Schwerpunkt auf Neurowissenschaften, Digitalisierung, (Technik-)Museen, Bildwissen/ Bildpraktiken, Ästhetik und feministischer Theorie.

    Zusätzlich zu ihren theoretischen Forschungsarbeiten sucht Hannah Fitsch immer auch nach anderen Ausdrucks- und Vermittlungsformaten, etwa in Museen, im Theater, als Video-, Audio- und/oder visuelle Arbeiten.

    2022 erhielt sie den Emma Goldmann Snowball Award.

    Aktuell erschienen:
    „Die Schönheit des Denkens. Über die Mathematisierung der Wahrnehmung am Beispiel der Computational Neurosciences.“, Transcript-Verlag/open access.
    „Der Welt eine neue Wirklichkeit geben. Feministische und queertheoretische Interventionen“ (gemeinsam mit Greusing, I., Kerner, I., Meißner, H., Oloff, A.), Transcript-Verlag/open access.

    Kommentar: Denise Bergold-Caldwell, Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck, Universität Innsbruck
    Moderation: Verena Sperk, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Innsbruck

    Bianca Prietl: Das Geschlecht der Datafizierung. MachtWissen im digitalen Zeitalter

    Bianca Prietl: Das Geschlecht der Datafizierung. MachtWissen im digitalen Zeitalter

    Digitale Datentechnologien wie algorithmische Entscheidungssysteme oder Künstliche Intelligenz halten in immer mehr Bereiche der Gesellschaft Einzug und beeinflussen hier, wie und was wir wissen (können). Die damit einhergehenden Verschiebungen in der gesellschaftlichen Wissensordnung sind – so die These dieses Vortrags – nicht geschlechtsneutral. Vielmehr ist der in digitalen Datentechnologien verobjektivierte, datafizierte und datafizierende Zugriff auf die (soziale) Welt gesellschaftlich höchst voraussetzungsvoll wie folgenreich. Im Zentrum des Vortrags steht deshalb die Frage, welche Weltzugänge, Wahrheitsregime und Denkformen mit digitalen Datentechnologien verknüpft sind, wie diese die Verfahren, Subjekte und Möglichkeiten von Erkenntnis regulieren und in diesem Sinne als zugleich machtförmig wie machtvoll verstanden werden können.

    Die im Anschluss an Foucault aufgeworfene Frage nach dem MachtWissen im digitalen Zeitalter leistet einen Beitrag zur Geschlechteranalyse aktueller digitaler Transformationen, unter Fokussierung auf das wechselseitig konstitutive Verhältnis von Technik, Macht und Wissen. Damit geht es weder zentral um Frauen und ihre Karrierechancen im Zuge der Digitalisierung, noch um die diskursprägende Auseinandersetzung über sexistische oder rassistische Biases. Stattdessen wird die Aufmerksamkeit auf die viel grundlegendere Frage gerichtet, wie eine auf digitale Datentechnologien gründende Wissensordnung überhaupt verfasst ist und was dies für unsere Möglichkeiten des in der Welt Seins – gerade aus einer an Geschlechterverhältnissen interessierten Machtperspektive – bedeutet. Denn: Wer sich an der Produktion von Wissen beteiligen kann, wessen ‚Stimme Gewicht hat‘ und welche Instrumente – seien sie kognitiver oder materieller Art – dafür legitimerweise zur Verfügung stehen, ist nicht unabhängig von der gesellschaftlichen Geschlechterordnung, sondern zutiefst mit der historisch etablierten strukturell-symbolischen Dominanz des Verhältnisses von Technik und Männlichkeit verflochten. Wie sich das Zusammenspiel von Wissen, Macht und Technik im Kontext aktueller Digitalisierungsbestrebungen gestaltet, neu festzieht, lockert oder gar löst, möchte ich im Rahmen dieses Vortrags sondieren.

     

    Bianca Prietl ist habilitierte Soziologin und als Professorin für Geschlechterforschung mit Schwerpunkt Digitalisierung an der Universität Basel tätig.

    Ihre Forschungsinteressen entfalten sich an der Schnittstelle von Frauen- und Geschlechterforschung einerseits und Wissenschafts- und Technikforschung andererseits. Rezente Forschungsthemen umfassen die akademische Institutionalisierung von Data Science und damit verbundene Verschiebungen in der gesellschaftlichen Wissensordnung, Männlichkeitskonstruktionen der Digitalen Avantgarde, Feministische Kritik an big data, algorithmischen Entscheidungssystemen und maschinellem Lernen.

    Kommentar:

    Silvia Rief, Institut für Soziologie, Universität Innsbruck

    Moderation:

    Flavia Guerrini, Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck und Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Innsbruck

    Ricarda Drüeke – „Dissonante Öffentlichkeiten: Digital vernetzte Medien und rechte Akteur:innen“

    Ricarda Drüeke – „Dissonante Öffentlichkeiten: Digital vernetzte Medien und rechte Akteur:innen“

    75. Inns­bru­cker Gen­der Lec­ture mit Ricarda Drüeke

    „Dissonante Öffentlichkeiten: Digital vernetzte Medien und rechte Akteur:innen“

    Ricarda Drüeke – Fachbereich Kommunikationswissenschaft, Universität Salzburg

    Mein Beitrag beleuchtet mittels welcher digitalen Medienstrategien rechte Akteur:innen die „Grenzen des Sagbaren“ ausweiten und sich affektiver Formen sowie Teilöffentlichkeiten bedienen. Ich greife dabei drei Strategien heraus: Diskurspiraterie und Mimikry als Aneignung von Themen und Symbolen feministischer und demokratischer Bewegungen. Als Hijacking werden die Umdeutungen durch antifeministische und rechte Akteur*innen von queer_feministischen Hashtags und Inhalten bezeichnet. Diese Strategie verdeutliche ich am Beispiel von #metoo und #120db. Die Ausweitung des Sagbaren findet insbesondere durch Abwanderung ins sogenannte „Dark Net“ statt; ein Beispiel dafür liefert die Plattform Telegram.

    Diskutieren möchte ich dabei, wie wir mit der Dynamik digitaler Medien umgehen könnten, gerade in Bezug auf entsolidarisierende und exkludierende Kommunikationsformen und -foren sowie welchen Stellenwert solch dissonante Öffentlichkeiten für Fragen der Demokratiegestaltung haben.

    Ricarda Drüeke ist habilitierte Assoziierte Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg und Co-Leiterin des Programmbereichs Zeitgenössische Kunst und Kulturproduktion der interuniversitären Einrichtung Wissenschaft und Kunst.

    Sie forscht und lehrt zu Inklusions- und Exklusionsprozessen in und durch Medien, digitalen Öffentlichkeiten (insbesondere mit einem Schwerpunkt auf Protestartikulationen und -bewegungen sowie Dynamiken der Empörung am Beispiel von Hate Speech) sowie im Bereich Gender Media Studies.

    In ihrer Habilitation beschäftigte sie sich mit queer_feministischem Aktivismus mittels digitaler Medien unter Berücksichtigung der Ausdifferenzierung von Öffentlichkeiten.

    Kommentar: Matthias Kettemann, Institut für Theorie und Zukunft des Rechts, Universität Innsbruck
    Moderation: Judith Goetz, Institut für Erziehungswissenschaft, Universität Innsbruck

    Mira Wallis: „Digitale Plattformen, Arbeit und die Krise der sozialen Reproduktion.“

    Mira Wallis: „Digitale Plattformen, Arbeit und die Krise der sozialen Reproduktion.“

    Der Vortrag beleuchtet den Zusammenhang zwischen der Verbreitung digitaler Plattformen, der Transformation von Arbeit und Krisen der sozialen Reproduktion.

    Im Bereich der sozialen Reproduktion kommt es seit Jahren zu vielfältigen Krisenerscheinigungen, von der Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge, Versorgungslücken, zunehmender Vermarktlichung und Privatisierung bis hin zu Überlastung und abnehmenden finanziellen und zeitlichen Ressourcen im ‘Privaten’. Diese multiplen Krisen der sozialen Reproduktion bieten Plattformunternehmen ein profitables Geschäftsfeld. Helpling, Lieferando, Care.com, Airbnb und viele weitere Plattformen stellen heutzutage Dienstleistungen aus zentralen Feldern der sozialen Reproduktion mit wenigen Klicks zur Verfügung. Ob Gesundheitsversorgung, Ernährung oder Kinderbetreuung – digitale Plattformen transformieren nicht nur Produktionsverhältnisse, sondern intervenieren auch direkt oder indirekt in die gesellschaftliche Re-Organisation sozialer Reproduktion und die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung.

    Der erste Teil des Vortrags liefert eine Einführung in die zentralen Charakteristika der Plattformökonomie und skizziert, auf welche Entwicklungen im Bereich der sozialen Reproduktion Plattformen reagieren, an welche Krisen sie anknüpfen und welche Transformationsprozesse sie befördern. Im zweiten Teil des Beitrags wird dieser theoretische Zusammenhang beispielhaft anhand eines Teilbereichs der Plattformökonomie, heimbasierter digitaler Arbeit auf sogenannten Crowdwork-Plattformen, weiter ausgeführt. Abschließend wirft der Vortrag die Frage auf, inwiefern diese neue Form der Arbeit auch auf ein neues Reproduktionsregime verweist.

    Mira Wallis ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Promovendin am Institut für Europäische Ethnologie und am Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2018 bis 2022 arbeitete sie im DFG-geförderten Forschungsprojekt „Digitalisierung von Arbeit und Migration“. Das Projekt beschäftigte sich mit der Rolle digitaler Plattformen bei der Transformation von Arbeit, sozialer Reproduktion und Mobilität/Migration. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf ortsungebundener Plattformarbeit (sog. Crowdwork), die sie als eine neue Form digitaler Heimarbeit in Deutschland und Rumänien untersucht. Gemeinsam mit Moritz Altenried und Julia Dück gab sie 2021 den Sammelband Plattformkapitalismus und die Krise der sozialen Reproduktion heraus.

    Kommentar:

    Carla Ostermayer, Doktoratskolleg „Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Transformation: Räume – Relationen – Repräsentationen“, Universität Innsbruck

    Moderation:

    Zoe* Steinsberger, Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck und Doktoratskolleg „Geschlecht und Geschlechterverhältnisse in Transformation: Räume – Relationen – Repräsentation“, Universität Innsbruck

    Lisa Nakamura: „Histories of Online Racism and Gendered Harassment: Women of Color Digital Diversity Work as Community Defense.“

    Lisa Nakamura: „Histories of Online Racism and Gendered Harassment: Women of Color Digital Diversity Work as Community Defense.“

    This talk traces the history of women of color’s participation in online gaming forums, anti-racist social media posts, and Zoom meetings as examples of community defense. Black and Latinx female Xbox players who engage in „resistance griefing,“ to use game scholar Kishonna Gray’s formulation, Generation Z women who post video documentation of their encounters with racism and xenophobia in public places, and women of color resisting racist zoombombing share an understanding of their efforts as digital diversity work. This talk argues that women of color online were engaging in community defense models as alternatives to traditional policing and the carceral state years before the mainstream left in the U.S. deployed them as part of a populist politics.

    Lisa Nakamura is the Gwendolyn Calvert Baker Collegiate Professor in the Department of American Cultures at the University of Michigan, Ann Arbor. Lisa Nakamura is a member of the DISCO (Digital Inquiry, Speculation, Collaboration, and Optimism) Network along with André Brock, Stephanie Dinkins, Rayvon Fouché, Catherine Knight Steele, and Remi Yergeau. She is also the founding Director of the Digital Studies Institute at the University of Michigan and has been writing about digital media, race, and gender since 1994. Lisa Nakamura wrote books and articles on digital bodies, race, and gender in online environments, on toxicity in video game culture, and the many reasons that Internet research needs ethnic and gender studies. In November 2019 she gave a TED NYC talk about her research called “The Internet is a Trash Fire. Here’s How to Fix It.”

     

    Comment:

    Doris Allhutter, Institute of Technology Assessment, Austrian Academy of Sciences

    Moderation:

    Levke Harders, Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) und
    Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie

    Maria San Filippo: „Full-Frontal Feminism: Sex Scenes in Jane Campion’s Turn of the Millennium Trilogy“

    Maria San Filippo: „Full-Frontal Feminism: Sex Scenes in Jane Campion’s Turn of the Millennium Trilogy“

    This talk regards Jane Campion’s exemplary approach to crafting sex scenes in ways that confront gendered dynamics of power and (visual) pleasure, focusing on the trio of films Campion chose to make in the wake of receiving global acclaim for The Piano (1993). Viewing The Portrait of a Lady (1996), Holy Smoke! (1999), and In the Cut (2003) as an unofficial trilogy, considered within the entwined contexts of pre-/post-9/11 gender anxiety and surveillance culture and of feminist genre revisionism, I explore how these works encapsulate Campion’s singular approach to screening sex.

    Maria San Filippo is a 2021-22 Fulbright U.S. Scholar in the Department of American Studies at Universität Innsbruck. She is Associate Professor of Visual and Media Arts at Emerson College and Editor of New Review of Film and Television Studies. She authored the Lambda Literary Award-winning The B Word: Bisexuality in Contemporary Film and Television (2013) and Provocauteurs and Provocations: Screening Sex in 21st Century Media (2021), both published by Indiana University Press, and edited the collection After “Happily Ever After”: Romantic Comedy in the Post-Romantic Age (Wayne State University Press, 2021). Her Queer Film Classics volume on Desiree Akhavan’s Appropriate Behavior (2014) is forthcoming in fall 2022 from McGill-Queen’s University Press.

    Comment:
    Christian Quendler, Department of American Studies, University of Innsbruck

    Moderation:
    Cornelia Klecker, Department of American Studies, University of Innsbruck