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    ms symptome

    Explore "ms symptome" with insightful episodes like "#235: Schwere Spastiken bei MS mit der Synchromed Pumpe von Medtronic behandeln", "Multiple Sklerose, bestürzender Befund - Prof. Thomas Müller, was tun?", "#215: Trigeminusneuralgie und MS – eine unsichtbare Herausforderung. Interview mit Dr. Monika Köchling", "#176: Interview mit Inês Pereira zu den „Mechanismen von Fatigue bei Multipler Sklerose – Untersuchung mittels fMRI“ (FAMRI)" and "#137: Interview mit Elisa Ascherl zur Emendia App für MS-Patienten" from podcasts like ""MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast", "PRIMO MEDICO Fachärzte Talk", "MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast", "MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast" and "MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast"" and more!

    Episodes (9)

    #235: Schwere Spastiken bei MS mit der Synchromed Pumpe von Medtronic behandeln

    #235: Schwere Spastiken bei MS mit der Synchromed Pumpe von Medtronic behandeln

    Erfahre wie schwere Spastiken dank der lokal implantierten Synchromed Pumpe behandelt werden können, wenn Tabletten nicht mehr ausreichen.

    Den vollständigen Artikel zum Nachlesen findest Du auf meinem Blog: https://ms-perspektive.de/235-synchromed 

    Im folgenden Beitrag geht es um die implantierbare Synchromed Pumpe von Medtronic, die bei schweren Spastiken eingesetzt werden kann, wenn Tabletten nicht mehr ausreichend hoch dosiert werden können, um den erwünschten Effekt zu erreichen, oder die Nebenwirkungen durch die orale Einnahme nicht mehr akzeptabel sind.

    Damit ist bereits klar, dass die Pumpentherapie für eine sehr bestimmte Zielgruppe in Frage kommt, die dauerhaft unter schweren Spastiken leidet. Durch die lokale Abgabe des flüssigen Medikaments ins Nervenwasser muss teilweise nur 0,001 Prozent der Dosis, die als Tablette nötig ist, verabreicht werden und das Verdauungssystem wird nicht belastet.

    Dank der Pumpe können schwere Spastiken, die bei einer fortgeschrittenen MS vorliegen können, besser behandelt werden, um die Lebensqualität der betroffenen Person und der Pflegenden zu erhöhen.

    Ansprechpartner ist Deine behandelnde Neurologin oder Dein behandelnder Neurologe. Sie oder er überprüft, ob diese Lösung für Dich in Frage kommt oder gesundheitliche Aspekte dagegen sprechen. Medtronic bietet dazu eine spezielle Webseite mit ausführlichen Informationen an, wo Du Dich bereits vorab informieren und bei Bedarf Kontakt aufnehmen kannst.

    Diese Podcastfolge sowie der dazugehörige Blogbeitrag wurden durch die freundliche Unterstützung der Medtronic GmbH ermöglicht.

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    Vorstellung – Wer sind Christina Kühnhausen und Achim Kohlen?

    Hallo, mein Name ist Christina Kühnhausen, ich bin seit 8 Jahren bei Medtronic und seit den letzten 3 Jahren für Marktentwicklung und Aufklärung über die intrathekale Pumpentherapie verantwortlich. Und weil wir insbesondere die Patientenaufklärung wichtig finden, freuen wir uns sehr auf das heutige Interview!

    Ich bin Achim Kohlen und arbeite seit 10 Jahren bei Medtronic im Bereich Neuromodulation, wozu auch die Sychromed, unsere intrathekale Arzneimittelpumpe, gehört. Ich habe viele Jahre Ärzte und Patienten im technischen Außendienst vor Ort unterstützt und möchte nun die Therapie bekannter machen.

    Botschaft an MS-Betroffene

    Achim, was möchtest du Menschen mit MS sagen, die unter schweren Spastiken leiden und nach neuen Behandlungsoptionen suchen?

    Mir ist es wichtig, dass Ihr von dieser Behandlungsoption wisst! Deshalb sind wir heute hier. Ich möchte Euch ermutigen, Euch zu informieren und Euren Arzt gezielt anzusprechen. Er kann Euch dann ganz individuell beraten und mit Euch herausfinden, was für Euch die beste Option ist. Wenn Ihr Ängste oder Fragen bzgl. der Operation oder Therapie habt, macht Euch bei Eurem Arzt oder auf unserer Website schlau! Das löst häufig schon viele Knoten!

    Verabschiedung

    Christina, wo findet man ausführliche Informationen zur SynchroMed® Arzneimittelfunktionspumpe von Medtronic bei schweren Spastiken für Menschen mit MS im Internet?

    Auf jeden Fall auf der bereits genannten Internetseite. Gerne könnt ihr euch auch bei akuten Fragen, die nicht eine medizinische Beratung beinhalten, an mich wenden. Den Kontakt findet ihr auch auf unserer verlinkten Seite: http://bit.ly/Pumpentherapie_Spastik_beiMS

    ---

    Wenn du unter schweren Spastiken aufgrund der MS leidest, dann weißt Du nun, wo Du Dich über Behandlungsoptionen informieren kannst.

    Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
    Nele

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    Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisherigen Podcastfolgen.

    Multiple Sklerose, bestürzender Befund - Prof. Thomas Müller, was tun?

    Multiple Sklerose, bestürzender Befund - Prof. Thomas Müller, was tun?
    Moderne Behandlungsmöglichkeiten der chronischen Erkrankung MS - Wie gut sich Multiple Sklerose heutzutage behandeln lässt, erklärt der Spezialist für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. Thomas Müller, Chefarzt der Klinik für Neurologie im Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee. PRIMO MEDICO Profil und Kontaktdaten: https://www.primomedico.com/de/spezialist/prof-mueller-neurologie-berlin/

    #215: Trigeminusneuralgie und MS – eine unsichtbare Herausforderung. Interview mit Dr. Monika Köchling

    #215: Trigeminusneuralgie und MS – eine unsichtbare Herausforderung. Interview mit Dr. Monika Köchling
    MS-Patienten können zusätzlich unter einer Trigeminusneuralgie leiden, die sehr schmerzhaft ist. Dr. Köchling klärt über die Behandlung auf.
     
    Auf meinem Blog findest du das komplette Interview zum Nachlesen aller wichtigen Differentialdiagnosen und Behandlungsoptionen: https://ms-perspektive.de/215-trigeminusneuralgie

    Diesmal spreche ich Dr. Monika Köchling über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten einer Trigeminusneuralgie. Da diese Form der Gesichtsschmerzen zu extremen Einschränkungen in der Lebensqualität führen kann, ist es enorm wichtig, sie zu behandeln. Die gute Nachricht, es gibt viele Ansätze, die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen oder sogar ganz loszuwerden. Allerdings kann das manchmal etwas länger dauern und es ist wichtig gemeinsam mit den behandelnden ÄrztInnen nach der Lösung zu suchen und eventuell auch mehrere Ansätze auszuprobieren.

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    Vorstellung Monika Köchling

    Ich arbeite in Grevenbroich als Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin in einer großen Gemeinschaftspraxis, dem NeuroCentrum am Rheinlandklinikum. Ich lebe in Düsseldorf und bin in 2.Ehe verheiratet. Außerdem habe habe ich zwei erwachsene Söhne. Zu meinen Hobbies zählen das Singen im Chor, das Wandern und die Lyrik.

    Abschließend, was ist die wichtigste Botschaft, die sie MS-Patienten mit Trigeminusneuralgie mit auf den Weg geben möchten?

    Die Haltung ist entscheidend. Verzweifeln sie nicht. Werden und bleiben sie widerstandsfähig und wagen sie Neues.

    Ich zitiere Hilde Domin:

    „Ich setzte den Fuß in die Luft und sie trug.“

    Wo findet man sie im Internet bzw. vor Ort?

    NeuroCentrum am Rheinlandklinikum in Grevenbroich
    Am Ziegelkamp 1f
    41515 Grevenbroich
    www.neuro-centrum.net
    www.neurotransconcept.com

    ---

    Vielen Dank an Frau Dr. Köchling für den tiefgehenden Einblick in die Möglichkeiten eine Trigeminusneuralgie zu behandeln.

    Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
    Nele

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    #176: Interview mit Inês Pereira zu den „Mechanismen von Fatigue bei Multipler Sklerose – Untersuchung mittels fMRI“ (FAMRI)

    #176: Interview mit Inês Pereira zu den „Mechanismen von Fatigue bei Multipler Sklerose – Untersuchung mittels fMRI“ (FAMRI)

    In der FAMRI Studie sollen die verschiedenen Ursachen von Fatigue bei Multipler Sklerose sowie deren Gewichtung näher erforscht werden.

    Hier geht es zum Blogbeitrag inkl. Text zum Nachlesen: https://ms-perspektive.de/famri-studie

    In Folge 176 begrüße ich Inês Pereira, Ärztin und Doktorandin an der Translational Neuromodeling Unit, ein Institut der Universität Zürich und der ETH Zürich in der Schweiz. Wir sprechen über die FAMRI Studie, die mithilfe funktioneller MRT und ergänzender Untersuchungen die Ursachen von Fatigue bei Multipler Sklerose besser verstehen will.

    Da Fatigue rund 70% aller MS-Patienten früher oder später betrifft und aktuell nur unzureichend behandelt werden kann, ist es wichtig zunächst die Ursachen zu verstehen und deren komplexes Zusammenspiel.

    Aktuell werden noch TeilnehmerInnen gesucht. Um was es ganz genau geht, welche Untersuchungen dazugehören und wer überhaupt in Frage kommt, darüber sprechen wir im Interview.

    Inhaltsverzeichnis

    Wo findet man mehr Informationen zum bestmöglichen Umgang mit der eigenen Fatigue?

    Generell zum Thema Fatigue kann ich folgende Ressourcen empfehlen:

    Sie können sich auch an die FAMRI Emailadresse und an die Fatigue Sprechstunde der Schulthess Klinik wenden.

    Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

    Es tut sich viel an der Fatigue Forschung, auch durch die vermehrte Aufmerksamkeit aufgrund von COVID und Long COVID. Ich bin optimistisch, dass die Fatigue Forschung gut positioniert ist, um weiter entwickelt zu werden und Ergebnisse zu liefern.

    ---

    Vielen Dank an Inês Pereira für all das Engagement rund um die Erforschung und Behandlung der Fatigue bei Multipler Sklerose und natürlich für Aufklärung, wie man bestmöglich damit umgehen kann. Ich wünsche der Studie viel Erfolg und freue mich auf ein zweites Gespräch, wenn die Forschungen vorangeschritten sind.

    Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
    Nele

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    #137: Interview mit Elisa Ascherl zur Emendia App für MS-Patienten

    #137: Interview mit Elisa Ascherl zur Emendia App für MS-Patienten
    Elisa Ascherl beantwortet Fragen rund um die Emendia App für MS-Patienten, die zum besseren Verstehen und Verfolgen der MS eingesetzt wird.
     
    Hier geht es zum Blogbeitrag: https://ms-perspektive.de/interview-zur-emendia-app-fuer-ms-patienten
    Coverbild zum Interview mit Elisa Ascherl über die MS-App Emendia | Podcast 137, Photo by Jonas Leupe on Unsplash
    In Folge 137 begrüße ich Elisa Ascherl, die mir alle Fragen zur App Emendia MS beantworten wird. Der Beitrag ist Teil der Themenwoche zu digitalen Unterstützungsangeboten für MS-Patienten. Du erfährst, wie die Idee entstand mithilfe einer App die Behandlung zu verbessern, wer alles daran mitgearbeitet hat und was bereits alles möglich ist. Natürlich geht es auch um den Datenschutz und wie Emendia MS konkret im Alltag eingesetzt wird.
     

    Vorstellung

    Ich grüße dich aus Nürnberg, im schönen Franken – aus meinem, spätestens seit Beginn der Coronapandemie, sehr lieb gewonnenen Home-Office.

    Seit 2020 arbeite ich bei der NeuroSys und bin seitdem für die Entwicklung von Emendia MS mitverantwortlich.

    Schon vor meinem Studium im Bereich Gesundheitsmanagement und Wirtschaftspsychologie begeisterte mich die Vernetzung von tollen Möglichkeiten und Angeboten, um eine bestmögliche Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Dazu gehören für mich auch die Selbstverantwortung und die Selbstwirksamkeit als Betroffener einer Erkrankung. Diese als Teil des Lebens anerkennen zu können, aber gleichzeitig auf Augenhöhe mit medizinischem Fachpersonal sprechen zu können.

    Als Jugendliche bin ich selbst in Kontakt mit einer chronischen Erkrankung gekommen – der Skoliose, einer leichte Rückenerkrankung. Ich musste eine Orthese tragen.

    Schade war, dass viele Menschen eher mitleidig mit mir gesprochen und bei Fragen oft dieses Thema fokussiert haben. Ich hörte immer, was nicht mehr geht – Sport, Medizin studieren. Anstatt Hilfe zu bekommen. Erst durch eine Kur und der dadurch angebotenen Konfrontation mit der Erkrankung, durch das Erkennen der Selbstwirksamkeit wurde mir ganz persönlich geholfen, auch auf psychischer Ebene.

    Ich habe dadurch die „Grenzen“ und Partner erkannt. Genau diese Möglichkeiten und Potenziale, die wir bei vielen anderen Erkrankungen auch haben – die Betroffenen als Teil des Heilungs-/Therapieerfolgs anzuerkennen, treiben mich jeden Tag an. Digitalisierung kann dabei helfen, verschiedene Welten zusammen zu bringen und Kilometer zu überwinden.

    Ich selbst bin in Thüringen in einer ländlichen Region aufgewachsen, die Fahrten zu Kontrollterminen waren echt nervig. Da hätte ich mir nicht selten Telemedizin oder andere Möglichkeiten gewünscht, vermutlich meine Eltern noch mehr, denn diese mussten damals immer Taxi spielen.

    Noch ein bisschen was zu meinen Hobbys. Ich liebe das Lesen, gute, tiefgründige Gespräche und das Gärtnern – gerade wächst neben mir die erste Frühzucht für die diesjährige Saison. Außerdem liebe ich Reisen, meine Familie und Freunde und ich „arbeite“ gerne.

    Portraitbild von Elisa Ascherl, Project Manager Digital Helath, NeuroSys

    Emendia MS – App zum besseren Verstehen und Verfolgen der MS

    Wie würdest Du Emendia MS in Kurzform beschreiben?

    Emendia ist ein alltäglicher, digitaler Begleiter im Rahmen der MS-Therapie. Ein digitale/r Partner/Partnerin.

    Was war die Motivation zum Entwickeln von Emendia MS?

    Emendia MS hat eine „Vorgeschichte“ durch ein weiteres Produkt von uns „PatientConcept“. Entstanden ist aber alles aus einer Motivation: Die Versorgung von Patientinnen zu verbessern, initial vor allem durch eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation. Ausgedacht hat sich das nicht irgendwer, sondern einer unser Mitgründer und langjähriger MS-Spezialist Dr. Michael Lang.

    Dr. Lang leitete damals selbst eine MS-Schwerpunktpraxis in Ulm und sah die Probleme aus der Praxis und wollte eine Lösung.

    Welche Probleme sah er?: MS ist eine chronische Erkrankung, doch die Patienten konnten nur bis zu 4-mal pro Jahr zur Konsultation vorgestellt werden. Als Arzt erhielt er nur eine punktuelle Bewertung des aktuellen Zustands seiner Patienten. Auch konnten sich die Patienten nur schlecht daran erinnern, wann es ihnen wirklich besser und wann schlechter ging. Das geht uns ja selbst schon fast so – man braucht sich ja nur mal fragen, wie man letzten Dienstag geschlafen hat. Wer kann sich noch erinnern?

    Es fehlte somit an Wissen oder auch Daten, aus dem Alltag der Patienten. Und das ist in der MS-Therapie sehr wichtig, denn die Anpassung der Medikationen erfolgt u.a. auf Basis der Rückmeldungen der Patienten. Umso bessere Verlaufsdaten zur Verfügung stehen, umso besser kann auch ggf. die Anpassung erfolgen.

    Die sogenannte Therapietreue der Medikamente ließ nach, denn waren die Beschwerden weniger, wurden die Medikamente nicht mehr genommen, obwohl die Entzündungsherde nicht einfach verschwinden, wenn keine Beschwerden vorhanden sind. (Auch niederschwellige Kontakte, das Gefühl mit dem Zentrum zu kommunizieren schafft eine höhere Therapietreue.)

    Gleichzeitig gibt es wichtige medizinische Tests, die in der Praxis vor Ort viel Zeit dauern. Um die Sprechzeit mit den Patienten so effektiv wie möglich zu gestalten, empfahl es sich, Tests bereits zu Hause durchführen zu lassen.

    Ein paar davon können digitalisiert werden. Wir haben mit dem MFIS und dem EDSS angefangen, dass Patienten diesen zu Hause oder vor dem Arztbesuch ausfüllen können. Wichtig ist, wir verwenden diese nicht als einmaligen Wert oder zur alleinigen Diagnose, vielmehr ist ein Verlauf der Werte über eine längere Zeit pro Patient wichtig.

    Es entstand, mit einem Team aus IT-Experten, unter der Leitung von Martin Mayr, das erste Produkt PatientConcept. PatientConcept besteht aus einer App für Patienten und einem Portal für Ärzte. Eines der ersten Anwendungsgebiete war MS. Dieser Weg begann 2015 – also in der Steinzeit von Digital Health. Während der vergangenen Jahre haben sich die Ansprüche geändert und wir wollten mehr den Patienten in den Fokus rücken, auch ermöglichte das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) eine neue Perspektive.

    So ist Emendia MS, mit Fokus auf MS entstanden. Jedoch bleiben wir auch hier unserer Philosophie treu: Zu einer optimalen Versorgung von chronischen Erkrankungen gehört die Kommunikation mit dem betreuenden medizinischen Fachpersonal. Also bieten wir zur App auch weiterhin ein Portal für medizinisches Fachpersonal an.

    Die Motivation ist also seit Beginn unserer Arbeit, die Lebensqualität von Menschen mit MS zu steigern, indem die MS-Versorgung durch digitale Tools verbessert wird.

    Wer war alles an der Entwicklung beteiligt (Neurologen, Patienten, …)?

    • Mehrere Neurologen 🡪 verschiedene MS-Experten im Interview in Praxen, Unikliniken (also aus der Forschung und dem Alltag)
    • Patient:innen wie Du, Nele Handwerker 😉 
    • UI/UX-Designer [Anmerkung Nele: Die Aufgabe von UX-Designern ist es die Perspektive von Nutzern/Usern zu verstehen und in den Prozess der Softwareentwicklung einzubringen, damit frustfreie, leicht erlernbare und intuitiv zu bedienende Produkte entstehen.]
    • Softwareentwickler
    • Medizinprodukte-Experten
    • Digital Health Experts inklusive psychologischem Hintergrund

    Was wollt Ihr mit Emendia MS erreichen?

    Einen wirklichen Mehrwert für MS-Patientinnen und deren Ärzte schaffen, um somit die Versorgung für alle Beteiligte zu verbessern. Insbesondere möchten wir Patienten ermöglichen, noch aktiver die eigene Therapie mit in die Hand zu nehmen und zum Experten der eigenen Erkrankung zu werden.

    Perspektivisch strukturierte Daten erheben um daraus mehr zu lernen und gegebenenfalls an der Entwicklung neuer Therapien oder Vorhersagen mitzuwirken. Dabei liegt der Fokus immer auf der Patientenversorgung.

    Eventuell wird es irgendwann möglich sein, einen Schub vorauszusagen oder Änderungen der MS-Form? Doch das ist Zukunftsmusik. Was wir jetzt ganz konkret mit Emendia MS erreichen wollen, ist in der aktuellen Versorgung einen Mehrwert zu erzeugen, indem Betroffene die eigene Erkrankung selbst besser kennenlernen und 365 Tage im Jahr einen Partner zur Seite haben, mit welchem Messungen verschiedener Funktionen im Alltag durchgeführt werden können und damit nicht allein sind.

    Dieses Ziel können wir erreichen indem die Arzt-Patienten-Kommunikation durch objektive und subjektive Daten ergänzt wird, die nicht nur während der Arzttermine aufgenommen werden, sondern im Alltag entstehen.

    Hinzukommt die Verlaufsdarstellung, sprich MS-Betroffene sollen ein mit ihrem Arzt Gespräche auf Augenhöhe führen können. Und dem behandelnden Arzt liegen mehr Daten als Entscheidungsgrundlage vor.

    Wir wollen fundiertes Wissen zu MS an die Hand geben, um selbst zum Experten der eigenen Erkrankung zu werden, um die eigenen Verantwortungen und deren Auswirkungen besser zu verstehen. Gesunde Ernährung, Alkoholkonsum oder Medikamentenadhärenz sind einige Beispiele dafür.

    Emendia MS im Einsatz

    Wie unterstützt Emendia MS Patienten in ihrem Leben mit der Erkrankung?

    Emendia ist ein digitaler Begleiter, der umso wertvoller wird, je regelmäßiger er verwendet wird. So kann man die eigene Erkrankung und den eigenen Verlauf selbst tracken und an einem Ort dokumentieren via: Symptomtracking.

    Bei unsicheren Symptomen kann man diese für den nächsten Arzttermin dokumentieren.

    Medizinische Abfragen können selbst durchgeführt werden und die eigene Fatigue-Score sowie allgemeine Einschränkungen im Verlauf selbst eingesehen und bewertet werden.

    Mit vier Tests (Floodlight® MS vom Hersteller Roche) können die Handfunktion, die Gehfähigkeit und die Kognition zwischen den Arztbesuchen einfach selbst mit dem eigenen Smartphone gemessen werden. Die Ergebnisse im Verlauf können für das nächste Behandlungsgespräch mit dem Arzt/der Ärztin genutzt werden. So kann ein besseres Verständnis für den individuelle MS-Erkrankung gewonnen werden.

    Darüber hinaus dient Emendia der Wissensvermittlung – bezogen auf die eigenen Symptome, kann man so fundiertes, medizinisch-wissenschaftliches Wissen aufbauen und das ganz ohne Halbwahrheiten.

    Die Verlaufsdarstellung bietet Nutzern und Ärzten wichtige Informationen.

    Auftretende Schübe können mit konkreten Details dokumentiert werden.

    Das Medikationstracking hilft dabei die eigene Medikationseinnahme besser zu nachzuverfolgen und kann auch für symptomatische Medikamente genutzt werden.

    Durch die planbare Aufarbeitung erhält man für einen Mindestzeitaufwand maximale Vorteile.

    Das Teilen der Daten mit dem behandelnden Neurologen unterstützt beide Seiten – Betroffenen und Arzt.

    Wie wird Emendia von MS-Patienten angenommen?

    Interessiert und offen, positiv vor allem das Selbsttracking und Teilen der Daten mit dem eigenen Neurologen schätzen viele. Die App-Nutzung lässt sich mühelos in den Alltag integrieren und ist einfach zu handhaben. Vor allem das Tomatenzerquetschen wird so beschrieben, dass es Spaß macht.

    Aktuell befindet sich die App noch in der Erprobungsphase und wird gezielt eingesetzt. Mehr können wir nach unserer Zulassungsstudie sagen.

    Welche Vorteile sehen Neurologen in Emendia MS?

    Das meiste habe ich bereits in der Frage zur Motivation von Dr. Michael Lang erwähnt.

    In der Kurzzusammenfassung: Emendia ermöglicht es Neurologen Daten im Verlauf zu sehen vor allem aus dem realen Leben der Patient:innen und nicht nur eine Momentaufnahme. Dafür wird kein Papier benötigt, alles ist digital.

    Perspektivisch können so vorhandene Daten für Forschung und eine noch bessere MS-Versorgung genutzt werden. Zudem sind die Daten besser strukturiert, wodurch in der Sprechstunde das vordergründige Problem besprochen werden kann.

    Im Moment sehen Ärzte die Versorgung ohne Emendia MS, wie ein schwarz übermaltes Bild, dass nur an einigen Zeitpunkten einen klaren Einblick ermöglicht. Aber was in der Zwischenzeit passiert und damit verbundene Zusammenhänge können sie nur erahnen, da es unter der schwarzen Farbe verborgen bleibt. Emendia MS liefert quasi ein Putzmittel, um die schwarze Farbe über den gesamten Zeitraum zu entfernen und auf das darunter liegende Bild in Gänze schauen zu können. 

    Kannst Du vereinfacht beschreiben, wie persönliche Daten gesichert werden?

    Datenschutz und Datensicherheit sind uns sehr wichtig, weswegen wir keine identifizierenden Daten wie Vorname, Nachname, etc. speichern, sondern lediglich eine weltweit einmalige Emendia-ID. An diese Emendia-ID sind die Gesundheitsdaten gebunden. Zusätzlich werden alle Daten in Deutschland gespeichert.

    In welchem Umfang kann man Emendia MS aktuell nutzen?

    Im Rahmen der Test-Erprobungsphase kann Emendia MS vollumfänglich genutzt werden.

    Was wäre der Vorteil für Patienten, wenn ihr eine zugelassene digitale Gesundheitsanwendung seid?

    Emendia MS würde dadurch refinanziert und wir können das Produkt weiterentwickeln und den Nutzen für Patienten zusätzlich ausbauen. Aktuell verdienen wir kein Geld damit, sondern zahlen alles aus eigener Tasche. Und es würde dadurch jedem gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen, über ein Rezept.

    Welche Hürden müsst ihr noch überwinden bis zur Zulassung als DiGA?

    • Zulassungsstudie durchführen und erfolgreich abschließen.
    • ISO 27001 erhalten.
    • DiGA-Antrag stellen und bewilligt bekommen.

    Was müssen interessierte MS-Patienten tun, wenn sie Emendia MS nutzen wollen?

    Den eigenen Neurologen fragen, ob er Emendia MS kennt und einen Freischaltcode aushändigen lassen. Oder an uns wenden via info@emendia.de. Wichtig ist, dass Emendia aktuell nur in Verbindung mit einem Neurologen angewendet werden darf, weshalb eine Abstimmung mit dem behandelnden Neurologen wichtig ist. Wir unterstützen hier gerne beim Vermitteln.

    Abschluss

    Welchen Durchbruch für die Behandlung der MS wünschst Du Dir in den kommenden 5 Jahren?

    Ich glaube wie jeder, dass MS geheilt werden kann. Aber davon sind wir vermutlich noch weit entfernt. Medikamente, die für Betroffene einfach (z.B. wie eine einfache Tablette) einzunehmen sind und kaum/keine Nebenwirkungen verursachen.

    Dass es normal ist, MS im Verlauf zu tracken und Gesundheitsdaten als Teil der Therapie ebenfalls gleichwertig wie die regelmäßige Medikamenteneinnahme angesehen werden und wir somit alle etwas mehr Licht ins Dunkel bringen.

    Möchtest Du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

    Digitalen Gesundheitsanwendungen eine Chance geben. Sie sind keinesfalls die alleinige Lösung, aber ein Teil davon. Noch ist alles Pionierarbeit und die Produkte sind nicht fertig, wachsen aber immer weiter. Diese Einstellung wünsche ich mir, dass wir am Anfang eines gemeinsamen Weges stehen. Denn nur gemeinsam können wir das Beste herausholen, was Zeit und manchmal auch Nerven (auf allen Seiten) braucht. Aber jede Reise beginnt ja bekanntlich mit dem ersten Schritt.

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    Ich wünsche Dir bestmögliche Gesundheit,
    Nele

    Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen MS-Letter.

    Hier findest Du eine Übersicht über alle bisherigen Podcastfolgen.

    #136: Interview mit Eva Marten zu elevida, dem Online-Angebot zur Behandlung von Fatigue bei MS

    #136: Interview mit Eva Marten zu elevida, dem Online-Angebot zur Behandlung von Fatigue bei MS
    Eva Marten erklärt, aus welchen Bausteinen elevida besteht und wie dadurch die Fatigue bei MS-Patienten verbessert werden kann.
     
     
    Coverbild zum Interview mit Eva Marten zu elevida, dem Online-Angebot gegen Fatigue bei MS | Podcast 136, Photo by Surface on Unsplash
    In Folge 136 beantwortet Eva Marten meine Fragen zu elevida, dem Online-Angebot zur Behandlung von Fatigue bei MS. Der Beitrag gehört zur Themenwoche digitale Unterstützungsangebote für MS-Patienten. Du erfährst, was elevida ist, wie das Programm aufgebaut ist, was überhaupt eine digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) ist und welche Verbesserung der chronischen Müdigkeit damit möglich sind.
     

    Vorstellung

    Wichtigste berufliche Stationen und Ausbildung

    • Psychologie Studium und ausgebildete Psychologische Psychotherapeutin und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (VT = Verhaltenstherapie)
    • Nach dem Diplom-Studium nach Lübeck und dort im jetzigen ZIP (Zentrum für Integrative Psychiatrie) therapeutisch und forschend tätig gewesen
    • Parallel Weiterbildung zur Verhaltenstherapeutin für Erwachsene und Kinder am IVAH in Hamburg begonnen
    • Später ambulante Reha-Maßnahmen begleitet und in Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet
    • Seit 2015 bei GAIA: bis 2021 in Integrierter Versorgung, dann als Klinische Expertin im DiGA-Team
    • Außerdem behandle ich in der Psychologischen Praxis einer Kollegin auch eigene Patient:innen

    Persönliche Motivation für den Beruf

    Ich hatte Psychologie schon als Schulfach und fand es total spannend. Nach dem Abitur habe ich ein einjähriges Praktikum in einem Kinder- und Jugendheim gemacht, um herauszufinden, ob die Arbeit in einem helfenden Beruf etwas für mich ist.

    Obwohl ich am Anfang vor allem mit Kindern arbeiten wollte, habe ich damals gemerkt, dass auch die Erwachsenen – Eltern und Erzieher:innen zum Beispiel – dringend Hilfe benötigen. Ich habe mein Studium also mit dem Wunsch begonnen, Therapeutin zu werden und habe ihn mir erfüllt.

    Der Job bei GAIA hat mich gereizt, weil ich während meiner Therapieausbildung die Erfahrung gemacht habe, dass das enge organisatorische Korsett der klassischen ambulanten Psychotherapie weder für mich noch für meine Patient:innen immer das passende ist. Deshalb hat mich das Thema Online-Programme, schon lange bevor es DiGA (Digitale Gesundheitsanwendungen) gab, angesprochen und ich freue mich, aktiver Teil dieser Entwicklung zu sein.

    Privates

    Ich wollte nach dem Studium unbedingt in den Norden ziehen, um möglichst nah am Meer zu sein und finde Hamburg einfach eine traumhaft schöne Stadt zum leben und arbeiten. Ich verbringe so viel Zeit wie möglich draußen und auf dem Wasser, zum Beispiel beim Stand Up Paddeln. Ich bin glückliche Mama zweier lebhafter Söhne.

    Portraitfoto von Teresa Riedel, Interview zu elevida - der DiGA zur Behandlung von Fatigue bei MS

    elevida – Online-Angebot zur Verringerung der Fatigue bei MS

    Wie würden Sie elevida kurz und knapp beschreiben?

    elevida ist eine Digitale Gesundheitsanwendung, also ein Online-Programm, für Fatigue bei Multipler Sklerose, das die Symptome von Fatigue bei MS nachweislich verringert. Es ist ein zugelassenes Medizinprodukt, das man von zu Hause aus jederzeit nutzen kann und das für jeden sehr leicht zu bedienen ist. Da es sich bei elevida nicht um eine App handelt, können Patient:innen das Programm über einen Internetbrowser online sowohl über ihren Computer als auch über ihr Smartphone nutzen. Patient:innen lernen mit dem Programm besser mit ihrer Erkrankung umzugehen, in dem es ihnen hilft, mit neuen Denk- und Verhaltensmustern auf ihre Symptome zu reagieren.

    elevida besteht aus verschiedenen Modulen zu unterschiedlichen Themenfeldern, durch die die Patient:innen geleitet werden. Aufgebaut ist das Programm als virtueller Dialog. Das heißt, dass elevida kurze therapeutische Informationen anbietet und Nutzer:innen aus unterschiedlichen Antwortmöglichkeiten diejenige auswählen können, die am besten zu ihrer Situation passt. Das Programm geht dann auf diese Antwort empathisch ein und liefert weitere Informationen, Tipps oder Übungen.

    Nachdem man elevida verschrieben bekommen und sich registriert hat, kann man sofort mit dem Programm loslegen – ganz ohne Wartezeit. Für Patient:innen ist elevida zuzahlungsfrei, weil die Kosten von allen gesetzlichen Krankenkassen und von vielen privaten Kassen übernommen werden.

    Was war die Motivation zum Entwickeln von elevida?

    Wir entwickeln schon seit mehr als 20 Jahren Selbsthilfeprogramme für Patient:innen und Patientinnen und haben damit schon vielen tausend Menschen helfen können. Wenn wir digitale Therapien entwickeln, stellen wir immer die Patient:innen in den Mittelpunkt. Deshalb fragen wir uns zu Beginn jedes Prozesses, wie wir ihnen helfen und dazu beitragen können, ihr Problem zu lösen. Darauf basiert unser gesamter Prozess, in den Experten aus unterschiedlichen Bereichen involviert sind.

    So haben wir festgestellt, dass es für Fatigue bei MS Defizite in der üblichen medizinischen Versorgung gibt. Bis dato gab und gibt es keine wirksame medikamentöse Behandlung. Das war ein Ansatzpunkt für uns. Denn diese Lücke wollten wir schließen.

    Um Versorgungslücken zu identifizieren und mehr darüber zu erfahren, ziehen wir außerdem externe Experten zu Rate und sprechen mit Wissenschaftlern und Forschern im universitären Umfeld.

    Unsere Firma hat besondere Kompetenzen im Bereich der digitalen Therapien, die auf kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) basieren. Deshalb fokussieren wir uns bei Indikationen, für die wir eine Behandlung entwickeln vor allem auf solche, die mit Hilfe kognitiv-verhaltenstherapeutischer Techniken behandelt werden können. Bei Fatigue bei Multipler Sklerose ist das der Fall – deshalb wird KVT auch in den aktuellen Leitlinien als eine der wenigen Behandlungsoptionen empfohlen.

    Wer war alles an der Entwicklung von elevida beteiligt?

    An der Entwicklung von elevida waren viele forschende und praktizierende Experten aus der Neurologie und Psychotherapie beteiligt. Nachdem wir beschlossen hatten, eine digitale Therapie für Patient:innen mit Multipler Sklerose und Fatigue anzubieten, haben medizinische Experten wie Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen einen Behandlungsplan erstellt und die Inhalte von elevida entwickelt. Der Entwurf, der so entstanden ist, musste natürlich gründlich validiert und getestet werden. Nachdem das geschehen war, haben sich unsere Design- und Entwicklungsteams an die Arbeit gemacht und sich darum gekümmert, dass elevida auf die spezifischen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten wird.

    Da wir alle Online-Programme, die bei uns im Haus entwickelt werden, auch auf ihre Wirksamkeit prüfen, hat unser internes Team für klinische Studien in Zusammenarbeit mit universitären Partnern, wie dem Universitätsklinikum in Hamburg Eppendorf, eine sogenannte randomisiert kontrollierte Studie (RCT) konzipiert.

    Denn nur indem wir umfassende Studien durchführen, erreichen wir unser Ziel: Patient:innen, die dringend Zugang zu evidenzbasierten, wirksamen digitalen Therapien benötigen, diesen auch zu verschaffen. Es nützt ja nichts, ein nur vermeintlich gutes Programm zu entwickeln, wenn es am Ende gar nicht wirkt. Die Studie zu elevida hat aber gezeigt: es wirkt. Denn die Fatigue konnte bei den Teilnehmer:innen der Studie durch elevida signifikant, also bedeutsam, reduziert werden. Weil die Studienergebnisse schon vorlagen, als die ersten Online-Programme als DiGA zugelassen werden konnten, hat elevida vom Bundesgesundheitsministerium die Genehmigung bekommen, als verschreibungsfähiges Medizinprodukt dauerhaft eingesetzt zu werden.

    Welche Verbesserung der chronischen Fatigue konnten Sie im Durchschnitt messen?

    In der klinischen Studie Studie (Pöttgen J, et al. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2018;0:1–7. doi:10.1136/jnnp-2017-317463), die wir gemeinsam mit Expert:innen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf durchgeführt haben, zeigte sich, dass bei Patient:innen, die zusätzlich zu einer sonst üblichen Behandlung elevida genutzt haben, die Fatigue deutlich stärker abgenommen hatte als bei Patient:innen, die nur die sonst übliche Behandlung erhielten.

    Nach 12 Wochen elevida haben sich die Beschwerden, die durch die Fatigue verursacht werden, signifikant reduziert. Da Fatigue-Symptome objektiv nicht zu messen sind, wurde die Beurteilung mittels einer Selbsteinschätzung der Patient:innen vorgenommen. Die Mittelwerte der elevida- und der Kontrollgruppe unterschieden sich um 2,74 Punkte zugunsten von elevida.

    Weitere eingesetzte Fragebogen zur Erfassung der Fatigue-Symptomatik bestätigten dieses Ergebnisse. Der Effekt war stabil mit recht ähnlichen Werten in einer Follow-up-Messung nach 24 Wochen.

    elevida im Einsatz

    Welche Faktoren führen zu einer chronischen Müdigkeit und welche davon können mit Hilfe von elevida positiv beeinflusst werden?

    Es sind ganz unterschiedliche Faktoren, die zur Fatigue führen können. Nicht alle können wir aktiv beeinflussen oder bewusst wahrnehmen. Einige aber schon. Nämlich unsere Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühle und sogar unsere Physiologie. Diese vier Faktoren beeinflussen sich auch gegenseitig und können wiederum ebenfalls durch Umwelteinflüsse verstärkt werden.

    Auf diese Aspekte stützt sich auch die Arbeit mit elevida. Deshalb beantworten die Patient:innen im Programm am Anfang Fragen zu ihren Gedanken, Gefühlen, ihrem Verhalten und ihren Körperempfindungen, die mit Fatigue in Zusammenhang stehen. Auf Basis der Antworten erstellt elevida mit dem Nutzer oder der Nutzerin ein individuelles Fatigue-Modell, das all diese Faktoren berücksichtigt und macht Vorschläge, wie man an diesen Punkten ansetzen kann, um die Fatigue zu verbessern.

    Für wen ist das Angebot geeignet und für wen nicht?

    Alle, die älter als 18 Jahre sind, MS haben und außerdem Fatigue-Symptome, können elevida nutzen. Es gibt dabei auch eine große Anzahl an älteren Patient:innen, die elevida gerne und erfolgreich verwenden. Wir haben das Programm extra so konzipiert, dass es sehr unkompliziert zu benutzen ist und sich u.a. vom Zeitaufwand auf die nutzende Person einstellt. Man braucht nur ein internetfähiges Gerät und kann dann ganz einfach online das Programm bedienen. Nicht verwenden sollten das Programm Menschen, die eine Schizophrenie, akute vorübergehende psychotische Störungen, schizoaffektive Störungen oder bipolare affektive Störungen haben.

    Wieso haben Sie sich für eine Gesprächsführung durch die elevida Anwendung entschieden?

    Rund 80 Prozent (https://www.nationalmssociety.org/Symptoms-Diagnosis/MS-Symptoms/Fatigue (zuletzt abgerufen am 28.03.22)) der Menschen mit MS sind im Laufe ihrer Erkrankung auch von Fatigue betroffen. Trotzdem ist Fatigue ein Symptom, das oft nicht behandelt wird. Das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es bisher keine medikamentöse Therapie gegen Fatigue. Zum anderen sind andere Therapien wie psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten nur schwer zugänglich für viele Menschen mit Fatigue.

    Laut aktueller Leitlinien ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) eine wirksame Behandlungsoption bei MS Fatigue. Leider ist das klassische psychotherapeutische Setting aber für viele Menschen mit MS nicht ideal – weil sie beispielsweise während eines Schubes das Haus nicht verlassen oder sich aufgrund der Fatigue nicht lange genug konzentrieren können. Außerdem gibt es nur wenige Therapeut:innen, die sich gut mit diesem Thema auskennen. Deshalb haben wir elevida entwickelt, um MS-Patient:innen mit Fatigue eine wirksame verhaltenstherapeutische Behandlung an die Hand zu geben, die sicher, effektiv sowie leicht zugänglich ist und zudem flexibel genutzt werden kann.

    Um die Wirksamkeit dieser Behandlung zu maximieren, konzentrieren wir uns auf die Kernfunktion: Die Gesprächsführung in elevida simuliert den Dialog mit einem echten Gegenüber. So vermittelt elevida wichtige Informationen zur Fatigue und hilfreiche Übungen im Umgang damit – eben wie ein echter Therapeut oder eine Therapeutin es tun würde. Auf zusätzlichen Schnickschnack verzichten wir ganz bewusst, damit man sich ganz auf dieses virtuelle Gespräch konzentriert und darauf einlassen kann.

    Welche Bausteine gibt es noch neben den Fragen?

    elevida besteht, wie schon erwähnt, aus einem dynamischen Dialog, den die Nutzer:innen mit dem Programm führen. Darin bekommen sie viele Informationen und Tipps, die auf Menschen mit MS-Fatigue zugeschnitten sind, können Audios anhören und werden durch therapeutische Übungen geführt. Daneben verfügt elevida noch über eine Reihe anderer Funktionen.

    Die Nutzer:innen erhalten beispielsweise zusätzliche Inhalte und Unterstützung per E-Mail oder SMS. Diese sollen sie zur weiteren Nutzung von elevida motivieren. Denn es ist erwiesen, dass die Wirksamkeit internetgestützter Therapien erhöht wird, wenn zusätzliche Kommunikationsmethoden zum Einsatz kommen (Webb, Thomas L., Judith Joseph, Lucy Yardley, und Susan Michie. „Using the Internet to Promote Health Behavior Change: A Systematic Review and Meta-Analysis of the Impact of Theoretical Basis, Use of Behavior Change Techniques, and Mode of Delivery on Efficacy“. Journal of Medical Internet Research 12, Nr. 1 (17. Februar 2010): e4. https://doi.org/10.2196/jmir.1376.).

    Außerdem haben die Patient:innen die Möglichkeit, sich selbst zu überprüfen im Hinblick auf ihr Fitnesslevel sowie die eigene Aufmerksamkeit gegenüber der Fatigue und ob beziehungsweise wie sich ihr Umgang mit Fatigue verändert hat. Diese Entwicklung und seine eigenen Fortschritte im Blick zu behalten, kann ebenfalls unheimlich motivierend sein.

    Natürlich kann das Programm jederzeit unterbrochen werden. Es fährt dann an genau der Stelle wieder fort, an der man zuletzt gewesen ist. So muss man sich nicht merken, wo man aufgehört hat. Zusätzlich dazu werden die Nutzer:innen auch regelmäßig daran erinnert, Pausen einzulegen. Damit möchten wir gewährleisten, dass Menschen mit Fatigue sich mit der Arbeit im Programm nicht überfordern und sie das Erlernte auch zwischendurch einfach einmal sacken lassen können.

    Wie viel aktive Teilnahme ist von MS-Patienten nötig, um einen Erfolg zu erzielen?

    Wir empfehlen, dass elevida ein bis zwei Mal wöchentlich für mindestens 30 Minuten genutzt wird, um spürbare Verbesserungen zu erzielen. Dabei sollte man sich tatsächlich die Zeit nehmen, sich eine Umgebung aussuchen, in der man ungestört mit dem Programm arbeiten und es intensiv nutzen kann. Im Endeffekt bleibt es aber natürlich jedem und jeder selbst überlassen, wie intensiv und wie oft er oder sie mit elevida arbeiten möchte. Es gibt auch Patient:innen, die täglich mit dem Programm arbeiten, weil sie es als eine wertvolle Unterstützung im Alltag empfinden und elevida sie motiviert, an ihrer Symptomatik zu arbeiten.

    Welches Feedback erhalten Sie von den Nutzern der Anwendung?

    Insgesamt bekommen wir sehr viel positives Feedback zu elevida. Wir freuen uns immer, wenn uns Nutzer und Nutzerinnen E-Mails schicken und schildern, wie die Tipps und Übungen in elevida ihnen geholfen haben.

    Natürlich gibt es auch Menschen, gerade langjährig Erkrankte, die nicht mehr ganz so viel Neues daraus mitnehmen und für die vieles Wiederholung ist. Was nicht heißt, dass sie nicht auch von elevida profitieren können. Besonders hilfreich ist elevida für Menschen, die vielleicht erst vor Kurzem die Diagnose MS bekommen haben oder aktuell ganz akut unter Fatigue-Symptomen leiden.

    Warum ist eine Verschreibung auf 90 Tage angelegt? Und für wen macht es Sinn, eine zweite Verschreibung für weitere 90 Tage zu beantragen?

    Von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums wurde für alle DiGA, unabhängig davon, welche Nutzungsdauer empfohlen wird, eine Verordnungsdauer von jeweils 90 Tagen festgelegt – äquivalent zur Verordnung von Medikamenten.

    Während der Verordnungsdauer und ab dem Zeitpunkt, ab dem sich Nutzer:innen zum ersten Mal für elevida registrieren, kann das Programm also für 90 Tage genutzt werden. Für diejenigen, die davon profitieren und um Effekte zu stabilisieren, empfehlen wir eine Nutzungsdauer von 180 Tagen, d.h. das Programm muss zwei Mal verordnet werden. Diese Nutzungsdauer haben wir übrigens auch in der Wirksamkeitsstudie untersucht.

    Können Sie etwas zu den langfristigen Auswirkungen sagen?

    In der gerade erwähnten Studie konnte bereits nachgewiesen werden, dass die Fatigue-Symptome durch elevida nach 12 Wochen signifikant reduziert werden und auch nach noch 24 Wochen stabile Effekte sichtbar sind. Aktuell läuft eine Anwendungsstudie in großen neurologischen Praxen, die sich den Verlauf “in der echten Welt” über zwei Jahre anschaut. Dann können wir mehr dazu sagen.

    In jedem Fall ist es so: elevida basiert auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei sollen die Nutzer:innen lernen, sich selbst zu beobachten, Probleme und negative Denkmuster zu identifizieren und alternative Lösungsansätze zu entwickeln. Ziel dieser Therapieform ist es nicht, kurzfristig Besserung zu erreichen, sondern sein Leben langfristig so zu gestalten, dass mit auftauchenden Problemen und Anforderungen besser umgegangen werden kann. Wenn jemand von elevida gut profitiert, wendet er die neu erlernten Denk- und Verhaltensstrategien nicht nur während der Nutzungsdauer an, sondern kann sie idealerweise für immer fest in seinen Alltag integrieren.

    Wie werden persönliche Daten gesichert?

    Wir wissen natürlich, dass die Datensicherheit grundsätzlich, aber vor allem bei Medizinprodukten, besonders wichtig ist. Denn immerhin geht es hier um sensible Gesundheitsdaten. Deshalb müssen dauerhaft gelistete DiGA und damit natürlich auch elevida der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechen und strenge gesetzliche Vorschriften erfüllen – auch in Bezug auf Datensicherheit. Deshalb nutzen wir auch Server, die sich in einem ISO 27001-zertifizierten Rechenzentrum in Deutschland befinden.

    Über den Datenschutz haben wir uns bei der Entwicklung von elevida natürlich ausführlich Gedanken gemacht. Das ist der Grund, weshalb elevida ausschließlich als browserbasierte Anwendung und nicht über App-Stores verfügbar ist. Dadurch wird verhindert, dass Anbieter der App-Stores über Nutzerdaten Rückschlüsse auf Erkrankungen ziehen können, indem sie erfassen, ob und wie elevida verwendet wird.

    Wir wollen, dass alle, die elevida nutzen, dabei ein gutes Gefühl haben. Deshalb fragen wir so wenige Daten wie möglich ab. So können sich Nutzer:innen anonym anmelden. Dafür brauchen sie nur eine E-Mail Adresse. Im Programm selbst müssen sie nicht ihren Klarnamen nutzen, sondern können auch ein Pseudonym verwenden.

    Was müssen interessierte MS-Patienten tun, wenn sie an elevida interessiert sind?

    Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für elevida. Deshalb steht an erster Stelle das Rezept, das interessierte Nutzer:innen von ihrem Arzt, ihrer Ärztin oder Psychotherapeut:in erhalten. Auf elevida.de kann ein Informationsblatt für Behandler:innen heruntergeladen werden, das man zum nächsten Termin mitnehmen kann. Das Rezept müssen die Patient:innen dann an ihre Krankenkasse weiterleiten. Das funktioniert entweder postalisch oder auf elektronischem Weg. Daraufhin sendet die Krankenkasse ihrem Mitglied einen 16-stelligen Freischaltcode, der auf der Webseite eingegeben werden kann. Nach der Registrierung kann elevida dann 90 Tage genutzt werden.

    Um das Programm insgesamt 180 Tage nutzen zu können, muss man es sich ein zweites Mal verschreiben lassen. Die Module, die bis dahin bereits absolviert wurden, bleiben natürlich erhalten, sodass man nicht noch einmal von vorne beginnen muss. Auch Privatpatient:innen haben die Möglichkeit, elevida zu nutzen. Dafür müssen Menschen, die Interesse an elevida haben, einen Kostenvoranschlag bei ihrer Krankenkasse einreichen, die dann darüber entscheidet, ob sie die Kosten übernimmt. Wenn das der Fall ist, können uns die Nutzer:innen die Bestätigung der Kostenübernahme zukommen lassen und wir senden ihnen einen Zugangslink zum Programm per E-Mail.

    Abschluss

    Welchen Durchbruch für die Behandlung der MS wünschen Sie sich in den kommenden 5 Jahren?

    Ich hoffe auf mehr supportive Programme speziell für MS-Betroffene, für die eine klassische ambulante Psychotherapie eben oft nicht passend ist. Wir haben zum Beispiel neben elevida noch ein weiteres Programm entwickelt, das auf Menschen mit MS zugeschnitten ist, die zusätzlich an einer Depression leiden. Ich bin sicher, es wird zukünftig noch viel mehr in dieser Richtung geben und halte das für einen wichtigen Baustein im Behandlungspaket für MS-Betroffene.

    Ich bin außerdem davon überzeugt, dass die Digitalisierung das Gesundheitswesen nicht nur für MS-Patient:innen, sondern generell weiter verändern wird. Digitale Gesundheitslösungen werden sich etablieren und das Leben von Patient:inn als Alltagshelfer erleichtern. Online-Programme haben das Potenzial, Behandlungen zukünftig noch stärker zu unterstützen und zu verbessern. Ich wünsche mir, dass DiGA ein ganz normaler Teil der medizinischen Versorgung und so selbstverständlich werden wie ein Arztbesuch.

    Ich glaube, wenn medizinische und andere therapeutische Behandlungsansätze – auch neue, digitale – Hand in Hand gehen, können wir wirklich viel erreichen!

    Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

    Ja, tatsächlich noch etwas Persönliches. Ich weiß, dass man das nicht vergleichen kann mit einer chronischen Erkrankung wie Fatigue bei MS, aber ich habe mich vor Kurzem mit Covid infiziert und erstmals in meinem Leben Symptome einer übermäßigen Erschöpfung erlebt, wie ich es bisher nur von Patient:innen kannte. Egal, wie viel ich geschlafen habe, ich war völlig kaputt, zum Beispiel nach dem Gang vom Bett zur Küche. Als das über mehrere Tage anhielt, wurde ich fast panisch, weil ich Angst hatte, es würde nie wieder besser werden.

    Ich zog mich stark zurück und traute mir immer weniger zu. Und woran habe ich gedacht in meinem Elend? An elevida! Mir fiel wieder ein, was sich wie ein roter Faden durch das Programm zieht, nämlich wie wichtig die richtige Balance aus Belastung und Ruhe ist. Und welchen Einfluss positives Denken haben kann.

    Also habe ich beschlossen, auf das Beste zu hoffen (Ich bekomme kein Long Covid – basta!) und angefangen, mich wieder kleineren Belastungen, wie etwas Hausarbeit und täglichen Spaziergängen auszusetzen, wann immer es halbwegs möglich war. Sobald ich müde wurde, habe ich mich wieder ausgeruht, teilweise für Stunden. Schritt für Schritt konnte ich so über mehrere Wochen fast wieder in meinen gewohnten Alltag zurückkehren.

    Damit möchte ich allen MS-Betroffenen Mut machen! Fatigue ist ein heftiges Symptom und kann das Leben radikal einschränken, keine Frage. Es gibt aber wirklich viele Tipps und Möglichkeiten, mit dieser Müdigkeit so umzugehen, dass die schönen Momente wieder deutlich häufiger werden. Genau diese Tipps stecken in elevida.

     

    Vielen Dank an Eva Marten für das geführte Interview.

    Ich wünsche Dir bestmögliche Gesundheit,
    Nele

    Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen MS-Letter.

    Hier findest Du eine Übersicht über alle bisherigen Podcastfolgen.

    #134: MS-Symptom sexuelle Störungen - wie Du wieder Freude an der schönsten Nebensache der Welt findest

    #134: MS-Symptom sexuelle Störungen - wie Du wieder Freude an der schönsten Nebensache der Welt findest
    Sexuelle Störungen treten häufig auf. Es gibt aber eine Menge Möglichkeiten ihnen zu begegnen und wieder Freude an Intimität zu haben.
    Cover zu Sexuelle Störungen bei MS | Podcast #134, Photo by Niranjan _ Photographs on Unsplash
    Sex kann zu den schönsten Dingen im Leben zählen und sexuelle Störungen daher für sehr viel Frust sorgen. In Folge 134 lernst Du die Hintergründe und Ausprägungen kennen, was Du dagegen tun kannst und welche Rolle Deine persönliche Einstellung gegenüber dem Thema spielt. Eins vorab, bei sexuellen Störungen gilt – Reden ist Gold. Und damit haben natürlich nicht nur MS-Patienten Schwierigkeiten, sondern ein Großteil der Menschen. Schade eigentlich, denn Ängste, Wünsche, Gefühle und Fantasien sollten kein Tabu sein. Und eine offene Kommunikation kann das Spielfeld an Möglichkeiten und Freuden immens erweitern. Wenn eine Frau ihrem Mann sagt, dass sie wegen der Fatigue abends keine Energie mehr für Sex hat, finden sich vielleicht am Wochenende oder morgens Zeiten, wo es möglich ist und es steht nicht mehr das vermeintliche Desinteresse unausgesprochen im Raum, sondern ein konkretes Problem, für das man gemeinsam Lösungen finden kann. Das Gleiche gilt für Männer mit MS, die unter Erektionsstörungen leiden. Wenn erst einmal klar ist, dass beide Seiten sich weiter Zärtlichkeiten wünschen und nur die Angst vorm Nichtfunktionieren im Weg steht, treten sofort Lösungsmöglichkeiten auf die Bühne, von Oralsex, gegenseitiger Masturbation bis hin zu Sextoys. So viel ist möglich und alles lösbar, wenn man darüber spricht.

    Ein Hinweis vorab

    Ich beziehe mich hier immer klassisch auf Paare. Aber natürlich gibt es auch andere Konstellationen Sex zu haben. Und meine Formulierungen stellen keine Wertungen dar. Das Gleiche gilt fürs Gendern. Vielfalt und Gleichberechtigung sind wunderbar und es sind ausdrücklich immer alle Geschlechter gemeint, wenn auch nicht ausformuliert.

    Wie häufig treten sexuelle Störungen auf?

    Die Zahlen variieren etwas und liegen für Frauen bei 40 bis 80 Prozent und bei Männern bei 50 bis 90 Prozent. Natürlich hängt es davon ab, wie lange ein Mensch mit MS schon erkrankt ist, welche sonstigen Symptome und eventuell dauerhaften Einschränkungen er oder sie hat. Im Vergleich mit der Durchschnittsbevölkerung treten sexuelle Störungen drei- bis viermal so oft auf. Eigentlich Grund genug, das Thema ernst zu nehmen, doch oft wird es von Ärzten weder angesprochen noch Unterstützungen angeboten. Vielleicht liegt es daran, dass es weniger offensichtlich ist, oder an der Scheu. Das soll hier keine Rolle spielen.

    Feststeht, die Wahrscheinlichkeit sexueller Störungen nimmt tendenziell über die Dauer der Erkrankung zu. Das hängt jedoch auch davon ab, wie gut die MS in Schach gehalten werden kann.

    Welche Arten sexueller Störungen gibt es?

    Man unterteilt in drei Arten – primäre, sekundäre und tertiäre Sexualfunktionsstörungen.

    Primäre Sexualfunktionsstörungen

    Primäre sexuelle Störungen entstehen durch Entzündungsherde im Rückenmark, die das sexuelle Empfinden und Körperfunktionen beeinflussen.

    Bei Frauen kann das zu einer Trockenheit der Scheide führen oder zu einem Verlust des sexuellen Verlangens. Möglicherweise ist die Erregungsfähigkeit von Klitoris und Scheide eingeschränkt oder Frauen haben unangenehme Empfindungen im Genitalbereich. Das kann bis hin zu Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen und somit der Orgasmus ausbleiben.

    Männer können ihre Erektionsfähigkeit verlieren, sprich der Penis wird nicht mehr steif. Oder es kommt zu Störungen beim Samenerguss, was ebenfalls zu einem ausbleibenden Orgasmus führen kann.

    Sekundäre Sexualfunktionsstörungen

    Dazu zählen Folgebeeinträchtigungen, die durch andere MS-Symptome auftreten.

    So können Probleme mit Blase und Darm normalen Sex sehr erschweren oder gänzlich im Wege stehen, da Du vielleicht von vornherein lieber auf Sex verzichtest.

    Die Fatigue mindert womöglich das Interesse am Sex massiv.

    Und falls Du dauerhaft unter Spastiken leidest, fällt es Dir vielleicht schwer, geeignete Positionen zu finden.

    Aber auch permanente Schmerzen lassen das Interesse an Sex bei den meisten schwinden. Und da hilft es oft nicht, dass Sex und Orgasmus eine Weile Schmerzen lindern können. Denn wer gar nicht erst in Stimmung kommt, den interessieren spätere Belohnungen nicht.

    Falls Du mit Schwäche oder Tremor zu tun hast, reduziert das oft die Auswahl an Positionen, die Du als angenehm und bequem empfindest.

    Außerdem können die Nebenwirkungen einiger MS-Medikamente sich direkt negativ auf das Verlangen nach Sex und die sexuelle Leistung auswirken. Ein entscheidender Grund, das Thema offen mit Deinem Neurologen zu besprechen.

    Tertiäre Sexualfunktionsstörungen

    Bei tertiären sexuellen Störungen stehen Psyche und Soziales im Weg. Hier geht es vor allem um Versagensängste oder den Zweifel an der eigenen Attraktivität. Wenn Du Dich aufgrund der MS und dazugehöriger Symptome als sexuell unattraktiv empfindest beziehungsweise meinst nicht die Wünsche und Erwartungen Deines Gegenübers zu erfüllen. Oder wenn sich Dein Partner um Dich kümmert und diese Rolle nicht zugunsten Eurer sexuellen Beziehung verlassen kann.

    Vielleicht kämpfst Du mit Stimmungsschwankungen, bist mit Deinem Körperbild unzufrieden oder hast nur wenig Selbstachtung vor Dir. Wenn Ihr diese Themen in der Beziehung nicht auflösen könnt, dann such Dir einen Experten, der Dir dabei hilft Dich selbst zu lieben und Liebe zuzulassen oder geht zur Paartherapie. Denn ohne ein gewisses Maß an Selbstliebe wird ein befriedigendes Sexualleben nur schwer zu erreichen sein.

    Welche Ärzte können Dir helfen?

    Dein Neurologe sollte darüber Bescheid wissen, da die Multiple Sklerose meist aus einer Gemengelage an Symptomen besteht und je besser Dein Ist-Zustand bekannt ist, umso besser kannst Du gemeinsam mit Deinem Arzt eine effektive Behandlungsstrategie auswählen. Das kann von Medikamenten über Physiotherapie bis hin zur Psychotherapie reichen.

    Weitere Ansprechpartner sind Frauenarzt und Urologe oder Psychotherapeut beziehungsweise ein Paartherapeut.

    Wie kann Dir Psychotherapie helfen?

    Sie kann Dich auf Deinem Weg begleiten, zu Dir selbst zu finden und Ängste bewusst wahrzunehmen, um sie anschließend aufzulösen. Wenn Du lernst, über Deine Gedanken und Wünsche zu sprechen, auch die schwierigen Themen, kannst Du Konflikte besser lösen und hast einen großen Schritt getan.
    Bei der Gesprächstherapie ist es übrigens wichtig, dass der Therapeut zu Dir oder Euch passt. Wenn kein Vertrauensverhältnis besteht, wirst Du Dich auch nicht öffnen und dann bringt das Zeitabsitzen auch nichts.

    Was kannst Du selber bei sexuellen Störungen machen?

    Wenn die sexuellen Begierden auf der Strecke bleiben, kann das auch auf den Rest der Beziehung überschwappen. Das kann zu einer wachsenden Entfremdung und Konflikten führen. Um dieses Geflecht wieder aufzulösen, sollten die Ursachen angegangen werden und oft kann eine psychotherapeutische Behandlung dabei helfen.

    Sprich über Deine Sorgen, Ängste und Wünsche und gestehe das auch Deinem Partner zu. Oft erscheinen Probleme, die unausgesprochen brodeln größer als sie eigentlich sind und sein müssten. Gemeinsam findet Ihr bestimmt Lösungen und wenn eine außenstehende Person beim Einordnen behilflich sein könnte, dann geht diesen Schritt. Ein glückliches Sexualleben und eine funktionierende Beziehung sind die Investition wert.

    Ein Buchtipp dazu „Die Wahrheit beginnt zu zweit: Das Paar im Gespräch“. Im Wesentlichen geht es darum, dass jeder Partner einmal pro Woche freie Redezeit bekommt und der andere nur zuhört. Und wenn ein Partner alles gesagt hat, ist der andere dran. Meist braucht es ein paar Anläufe, um in das Konzept hineinzufinden. Aber dann ist es wirklich erstaunlich, was alles dabei herauskommt, wie nahe man wieder zueinanderfinden kann und welchen Einfluss das auf die Beziehung hat. Selbst andere Beziehungen können davon profitieren. Denn wer das Konzept der Zwiegespräche beherrscht, wird zu einem besseren Zuhörer.

    Konkrete Tipps bei körperlichen Symptomen

    Bei Scheidenkrämpfen, einer trockenen Scheide oder einer verringerten Empfindungsfähigkeit von Klitoris und Scheide kannst Du übrigens mit speziellen Übungen Deine Beckenbodenmuskulatur stärken.

    Bei Muskelschwäche lohnt es sich, andere Positionen auszuprobieren. Hoffentlich findet Ihr so die ein oder andere, die möglich ist.

    Wenn Du unter Blasen- oder Darmstörungen leidest, eventuell Inkontinenz ein Problem sind, dann solltest Du vor dem Sex lieber weniger trinken und erst danach Deinen Wasserhaushalt auffüllen. Ein Toilettengang direkt vor der Intimität oder Selbstkatheterisieren, um die Blase zu entleeren, sind hilfreich.

    Männer können ein Kondom verwenden. Bei Stuhlinkontinenz kann Dir ein Analtampon die nötige Sicherheit geben, um beim Sex entspannt zu bleiben.

    Und verschieb das Essen besser auf die Zeit nach dem Sex, da es die Darmtätigkeit anregt.

    Warum Zeit und Zärtlichkeit so wichtig sind.

    Nimm dir viel Zeit für Zärtlichkeiten jeglicher Art, das fängt bei lieben Worten und Komplimenten an und geht bei körperlichen Liebkosungen weiter. Und denk daran, alles kann zur erogenen Zone werden ob Ohr, Hals, Arm, Fuß, oder probier doch mal eine Kopf- oder Fußmassage. Mir fällt da spontan die „Adams Family“ ein, wo Gomez seiner Frau Morticia immer so wild den Arm geküsst hat. Oder als im Film „Ziemlich beste Freunde“ der Tetraplegiker Philippe an den Ohren stimuliert wird. Sprich einfach darüber, was Dir gefällt und Dich erregt. Dein Partner oder deine Partnerin wird es toll finden, Dir sexuelle Freude und Lust zu bereiten.

    Wichtig ist außerdem, dass Intimität am besten ohne Druck stattfindet. Also nicht mit dem festgeschriebenen Ergebnis eines Orgasmus. Schon diese simple Grundvereinbarung kann ungemein zur Entspannung beitragen.

    Macht es euch gemütlich – mit schöner Musik, einem angenehmen Duft, Wohlfühltemperatur und gedämpften Licht. Erlaubt ist alles, was Euch beiden gefällt und guttut. Lachen ist auch immer wunderbar und wirkt so entspannend. Wer gemeinsam lachen kann, hat eine Ebene, die über ganz viele Schwierigkeiten hinweg helfen kann.

    Oder wie wäre es damit, einfach mal wieder an die erste Phase der Verliebtheit zu denken oder Euch gegenseitig Komplimente zu machen, was Ihr an dem anderen schätzt, liebt, bewundert. Denn geliebt werden, ist etwas sehr Schönes und nicht immer kannst Du davon ausgehen, dass Dein Partner weiß, dass Du ihn oder sie immer noch schätzt, liebst und begehrenswert findest.

    Natürlich ist es auch völlig legitim keinen Sex haben zu wollen und das Zusammengehörigkeitsgefühl anders herzustellen und aufrecht zu erhalten. Wenn das beide Seiten so sehen, ist alles bestens.

    Welche Medikamente und Hilfsmittel gibt es zur Behandlung von sexuellen Störungen?

    Hilfsmittel

    Das hängt natürlich immer von den vorliegenden Symptomen ab.

    Bei einer trockenen Scheide kann Vaginalgel helfen.

    Wenn Du einfach weniger im Genitalbereich fühlst, können Masturbation, oraler Sex oder Sextoys dazu beitragen, die nötige Erregung bis zum Erreichen des Orgasmus zu erlangen.

    Scheidenkrämpfe, auch bekannt als Vaginismus, können mit gezieltem Training unter Zuhilfenahme eines Vibrators verbessert werden.

    Gegen Erektionsprobleme des Mannes gibt es Vakuumpumpen oder Penisimplantate oder den deutlich unkomplizierteren Wechsel auf Oralsex und Masturbation.

    Bei Inkontinenzproblemen kann eine Selbstkatheterisierung vor der geplanten Zweisamkeit für Abhilfe sorgen.

    Und wenn die Spastik das Eindringen des Penis verhindert oder erschwert, können krampflösende Medikamente hilfreich sein. Hier gilt es die richtige Dosis zu finden. Mehr zu Spastiken erfährst Du in Folge 112.

    Vielleicht gefallen Euch auch erotische Bilder, Videos, Serien mit erotischen Parts oder Hörbücher. Solange Ihr gemeinsam entscheidet und Euch einig seid, ist alles erlaubt.

    Und denk daran, Sex beginnt immer auch im Kopf. Weshalb das ganze Setting wichtig ist.

    Medikamente

    Gegen erektile Dysfunktion gibt es verschreibungspflichtige Tabletten oder auch Injektionen in den Penis. Beides kann in der Dosis individuell angepasst werden. Folgt anschließend erotische Stimulanz, stellt sich in der Regel der gewünschte Erfolg ein. Teilweise übernehmen Krankenkassen sogar die Kosten. Nachfragen kann Geld sparen.

    Neben Medikamenten zur Behandlung von MS-Symptomen, die ich bereits angesprochen habe, lohnt sich auch der Check der Medikamente, die Du regelmäßig einnimmst. Vielleicht wirken sie sich negativ auf Deine Lust oder aus. Übliche Verdächtige sind Antidepressiva, Antispastika, Blutdruck- und Lipidsenker, Beruhigungsmittel und Östrogene. Sprich aber bitte immer mit Deinem behandelnden Arzt darüber. Selbstmedikation kann sehr gefährlich sein.

    Was ist die beste Prävention gegen sexuelle Störungen?

    Mit Blick auf die Multiple Sklerose ist es die funktionierende verlaufsmodifizierende Therapie, die Du möglichst auf breiter Front mit einer gesunden Lebensweise unterstützen solltest. Verzichte auf Rauchen. Ernähre Dich gesund. Trinke ausreichend zuckerfreie Getränke und nur wenig Alkohol. Treibe Sport und bleibe auch geistig aktiv. Und versuche, möglichst gelassen zu sein und zu einem inneren Gleichgewicht zu finden.

    Außerdem wiederhole ich gern noch einmal den Tipp vom Anfang: Reden ist Gold. Sowohl mit Deinem Partner, aber auch behandelnden Ärzten. Lösungen finden sich immer. Du musst nur erst Deinem Gegenüber das Problem erläutern.

    Denkanstoß

    Bei Instagram gibt es einen tollen Account namens Glanzundnatur auf dem drei Frauen und ein Mann regelmäßig Kommentare unter anderem rund um das Thema Intimität posten. Die Offenheit und der lockere Ton sind großartig und es wird auch viel kommentiert. Damit hast Du nicht nur die Meinung der Ersteller, sondern zusätzlich einer großen Community. Von allem, was ich bisher gelesen habe, trägt das eher zur Entspannung bei. Denn Körper sind individuell schön und beim Sex geht es vor allem darum, Spaß zu haben und Lust zu empfinden. Vorbeischauen lohnt sich. Vielleicht gefällt es Dir.

    Frage an Dich

    Sprichst Du offen mit Deinem Partner über Deine Ängste, Wünsche, Sorgen und was Dir gut gefällt? Oder fällt dir das schwer?

     

    Bestmögliche Gesundheit wünscht Dir,
    Nele

    Mehr Informationen und positive Gedanken erhältst Du in meinem kostenlosen Newsletter.

    Hier findest Du eine Übersicht aller Podcastfolgen.

    #130 - Interview mit Dr. Anja Dillenseger über relevante digitale Biomarker für MS-Patienten

    #130 - Interview mit Dr. Anja Dillenseger über relevante digitale Biomarker für MS-Patienten
    Cover zum Interview mit Dr. Anja Dillenseger zu relevanten digitalen Biomarkern für MS-Patienten | Podcast #130, Photo by Onur Binay on Unsplash

    In Folge #130 vom MS-Perspektive-Podcast spreche ich mit Dr. Anja Dillenseger vom MS-Zentrum in Dresden über relevante digitale Biomarker für MS-Patienten. Es geht darum, was Biomarker sind? Wie sie eine bessere Beurteilung des Ist-Zustandes ermöglichen, was wiederum eine bessere Behandlung ermöglicht. Welche Rolle dabei Smart Phones, Apps und Fitness Tracker spielen? Außerdem sprechen wir ganz konkret darüber, wie Sehstörungen erfasst werden und die Aussagekraft der Ergebnisse. Und es geht darum, wie Technik objektiv vergleichende Verlaufsdaten zeigen kann, selbst wenn andere Symptome wie Fatigue  beim Messen von beispielsweise Sprechstörungen reinspielen.

    Hier geht es zum Blogartikel:

    Vorstellung

    Anja Dillenseger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin mit akademischem Abschluss beim Multiple Sklerose Zentrum Dresden.

    Sie arbeitete zunächst im Groß- und Außenhandel und war Chefsekretärin bei RENO-Schuhimport. Es folgte ein BWL-Studium. Dann ging sie für 10 Monate in eine Tierarztpraxis und studierte anschließend Veterinärmedizin. Bis 2014 arbeitete sie in einer Praxis in Chemnitz, wechselte dann nach Dresden wo sie in den Jahren 2015/2016 in einer Tierarztpraxis tätig war. Und seit 2016 gehört sie zum Team des MS-Zentrum in Dresden.

    Portraitfoto von Dr. Anja Dillenseger, Interview zu relevanten digitalen Biomarkern für MS-Patienten

    Digitale Biomarker Überblick

    Was sind Biomarker und wofür werden sie genutzt?

    Biomarker sind objektiv messbare Indikatoren physiologischer oder pathologischer Prozesse oder pharmakologischer Antworten auf therapeutische Interventionen. Im Rahmen der MS kann man diese Biomarker unterteilen in:

    • diagnostische (d.h., sie helfen bei der Unterscheidung zwischen verschiedenen Erkrankungen, z.B. oligoklonale Banden),
    • prognostische (diese unterstützen Ärzte dabei abzuschätzen, wie sich eine diagnostizierte Erkrankung entwickelt; z.B. Neurofilament)
    • prädiktive/“vorhersagende“ (geben eine „Vorhersage“, wie die Antwort auf eine Therapie sein wird; welcher Patient profitiert von welcher Therapie? Hier ist zum Beispiel die Genotypisierung vor Siponimod-Therapie zu nennen.)
    • Krankheitsaktivität (messen die Entzündung oder Neurodegeneration, z.B. MRT, Klinik)
    • und Biomarker bezüglich der Therapie-Antwort (hilft zu unterscheiden, ob ein Patient auf eine Therapie anspricht).

    Was ist das Besondere an digitalen Biomarkern und warum sind sie so wichtig?

    Klassisch mussten und müssen diese Biomarker durch Ärzte oder medizinisches Personal erhoben und dokumentiert werden. Dafür fehlt leider häufig die Zeit oder das Personal oder beides (von Räumlichkeiten, um zum Beispiel Funktionstests durchzuführen, mal ganz zu schweigen).

    Daher ist der Gedanke, dass durch die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen zum einen diese Informationen gleich digital aufgenommen, dokumentiert und zur Verfügung gestellt werden können. Aber die Digitalisierung bietet auch die Chance, dass Patienten selbst diese Daten generieren und mit ihrem Behandlungsteam teilen.

    Wir hatten 2019 einmal eine Umfrage bei knapp über 200 Patienten gemacht, welche digitale Technologie sie am häufigsten verwenden. Das Smartphone war da ganz vorne mit dabei mit einer Nutzung mehrmals täglich. Smartphones bieten im Grunde alles, was man braucht: Kamera (z.B. zur Stimmungserhebung anhand des Gesichtsausdruckes), Mikrofon (zur Dokumentation der Sprache und eventuellen Auffälligkeiten), GPS und Gyroskop (zur Messung von Mobilität und Rotationsbewegungen des Körpers) etc. Also: warum dies sich nicht zunutze machen? Oder Fitness-Tracker?

    Wie können digitale Biomarker das Leben von Menschen mit MS verbessern in Bezug auf Behandlung und Prognose?

    Bei MS heißt es, frühzeitig auf Progressionen zu reagieren. Aber natürlich auch die Kontrolle der Therapie-Aktivität oder das Hinzukommen von neuen Symptomen.

    Normalerweise sehen wir Patienten alle 3 Monate, manchmal auch nur alle 6 Monate. Mal ehrlich, ich könnte mich nicht erinnern, wenn du mich jetzt fragen würdest, wie oft ich in den letzten 3 Monaten z.B. unter Kopfschmerzen gelitten habe. Das Gedächtnis eines jeden erinnert vielleicht die letzten 5 Tage ganz konkret, je nachdem natürlich, wie gravierend das Ereignis war. Aber im Grunde geht wohl viel Information verloren. Oder wird nicht ernst genug genommen.

    Wenn jetzt aber der Patient sich zum Beispiel hinsichtlich bestimmter Symptome selbst in seiner Häuslichkeit messen kann oder regelmäßig digitale Fragebögen zu den wichtigsten Symptomen zugeschickt bekommt, die Veränderung bestehender Symptome von ihm/ihr selbst über ein digitales Programm dokumentiert werden kann oder auch Schübe im Rahmen eines Tagebuches, dann unterstützt dies auch bei Visiten das Arztgespräch.

    Noch besser natürlich, wenn der Arzt ebenfalls (nach Zustimmung des/der Patient*in natürlich) direkt Zugriff zu diesen Informationen in Echtzeit hätte. Und da geht die Reise hin.

    Welche krankheitsbedingten Veränderungen bei MS-Patienten können bereits gut und effizient mit Hilfe von digitalen Biomarker erfasst werden?

    Die Bekanntesten hier sind wohl das MRT sowie die Untersuchung des Augenhintergrundes mittels der optischen Kohärenztomographie. Da ist dann aber noch lange nicht Schluss.

    Patienten an unserem Zentrum kennen hier zusätzlich die Ganganalyse, die bei uns mithilfe digitaler Technologie (z.B. ein mit Drucksensoren ausgestatteter Teppich), Opal-Sensoren, die am Körper befestigt werden und die Rotation des Körpers während verschiedener Aufgaben dokumentieren, digitale Fragebögen (Selbsteinschätzung der Mobilität) und vieles mehr.

    Zusätzlich gibt es bereits die Möglichkeit, Funktionstest tablet-basiert durchzuführen, ohne dass Patienten hier durch medizinisches Personal unterstützt werden müssen. Diese Funktionstests fokussieren sich hierbei auf die am häufigsten betroffenen Beeinträchtigungen im Rahmen der MS: das Gehen, das Kontrastsehen, die Kognition (also Konzentration und Verarbeitungsgeschwindigkeit) sowie die Funktion der oberen Extremitäten. Studien haben hier belegt, dass diese den papierbasierten Funktionstests in nichts nachstehen.

    Bisher waren solche digitalen Funktionstestungen häufig nur im Rahmen von Studien einsetzbar, aber die Überprüfung des Nutzens in der klinischen Routine nimmt gerade sehr an Fahrt auf. 

    Apps, die Funktionstests von zuhause aus ermöglichen gibt es bereits. Im Bereich der Alzheimer-Erkrankung werden Sprach- bzw. Sprech-Aufgaben mit Erfolg eingesetzt, um Hinweise auf depressive Verstimmungen, kognitive Beeinträchtigungen und Fatigue zu erhalten. Bei MS muss dies noch überprüft werden. Da startet im April bei uns ein Projekt dazu. Wie man erkennen kann, ist die Erfassung dieser digitalen Biomarker nicht überall verfügbar. Das wird sich in Zukunft hoffentlich ändern.

    Welche Rolle spielen Apps, Smartphones und Fitnesstracker beim Erfassen der Daten und wie viel wird beim Arzt gemessen?

    Diese Tools bieten die Möglichkeit der Erfassung digitaler Biomarker! Ein Smartphone hat doch jeder. Tablets sind mittlerweile auch so erschwinglich, dass man die sich in die Praxis oder Klinik legen kann, um Testungen oder digitale Fragebögen darauf durchzuführen. Fitness-Tracker sind eher nicht so ganz verbreitet, könnten aber bei bestimmten Patienten zur Verfügung gestellt werden, was derzeit nur im Rahmen von Studien der Fall ist. Aber in diesen digitalen Werkzeugen liegt die Zukunft.

    Was derzeit mit Hilfe von Apps, Smartphones und Tablets gemacht werden kann bewegt sich zum Großteil auch im Bereich der Forschung. Beispiel der Einsatz von digitalen Funktionstests (Kontrastsehen, Stäbchen-Steck-Test, 7,61-Meter-Gehtest, Verarbeitungsgeschwindigkeit), wobei hier gerade auch ein Zulassungsverfahren für eine DiGA (digitale Gesundheitsanwendung auf Rezept) läuft, die Funktionstest beinhaltet, Tagebuchfunktion und noch mehr.

    Auch werden immer mehr Apps, sogenannte DiGAs zur Unterstützung bei bestimmten Symptomen, wie Fatigue (basierend auf etablierten psychotherapeutischen Ansätzen und Verfahren insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie) und demnächst auch zur Unterstützung bei depressiven Verstimmungen. Da ist viel in der Entwicklung. Auch bei uns im Zentrum ist da einiges im Gange, wie die Testung einer App für das Selbstmonitoring (auch über digitale Funktionstests), Sprachanalyse, unsere multimodale Ganganalyse und vieles mehr, an dem geforscht und entwickelt wird.

    Wie kompliziert ist die Auswertung der erfassten Daten?

    Das ist ein wichtiges Thema. Durch die digitale Erfassung und des immer umfangreicher werden Spektrums, was alles erfasst werden kann, nimmt natürlich die Datenmenge extrem zu.

    Die Verwendung digitaler Biomarker stellt andere Anforderungen an die Datenanalyse als die herkömmliche Verarbeitung von Daten im klinischen Alltag und sogar als die aufwändigere Verarbeitung in klinischen Studien.

    Um den prädiktiven Zweck eines Biomarkers zu erfüllen, ist die Datenübertragung und Datenanalyse in Echtzeit das Ziel. Dies erfordert eine Unabhängigkeit von Ort und Situation der Datenerhebung, d. h. eine Datenverarbeitung, die in der klinischen Praxis stattfinden kann, aber nicht auf die Räumlichkeiten des Neurologen beschränkt ist, und die Besuche, die in größeren Abständen stattfinden. Dazu müssen Daten aus unterschiedlichsten Quellen über standardisierte, sichere Schnittstellen digital aggregiert werden – eine Aufgabe, die weit über die Möglichkeiten einzelner Apps hinausgeht.

    Die allgemeine Anforderung an (automatisierte) Informationsverarbeitungssysteme besteht auch darin, dass sie zuverlässig nützliche Informationen (echte medizinische Bedürfnisse) von Rauschen unterscheiden können, z. B. durch Anwendung festgelegter Grenzwerte. Auch ist es wichtig zu überlegen, welche Daten denn Sinn machen und überhaupt wichtig sind für die Therapie und Verlaufskontrolle.

    Wo liegen aktuell die größten Hürden, um digitale Biomarker breitflächig einzusetzen?

    Grundsätzlich einmal in der Validierung der digitalen Biomarker, das heißt, messen diese auch, was man messen möchte und sind diese Messwerte auch repräsentativ und aussagekräftig? Die Privatsphäre (vor allem z.B. bei passiver Dokumentation über GPS des Smartphones) und Datenschutz sind hier besonders wichtig. Wo werden die Daten gespeichert und wer ist dafür (auch hinsichtlich des Datenschutzes) verantwortlich? Über die Datenauswertung hatten wir ja bereits gesprochen. Und hinsichtlich der Adhärenz, das heißt, der Nutzung dieser Technologie, Tests und Apps, muss der Patient ebenfalls mitarbeiten.

    Detailfragen digitale Biomarker

    Wie gut können Sehstörungen mit digitalen Biomarkern gemessen werden und welche Arten gibt es?

    Das Sehvermögen ist eines der am stärksten betroffenen Funktionssysteme bei Patient*innen mit MS und äußert sich häufig in Form einer Sehnervenentzündung. Die klinischen Anzeichen können von Veränderungen des Farbsehens, verminderter Sehschärfe bis hin zum vollständigen Verlust des Sehvermögens reichen.

    Das am häufigsten eingesetzte digitale Untersuchungsverfahren ist das OCT, die optische Kohärenz-Tomographie. Mit OCT können die Dicke der peripapillären Netzhautnervenschicht (pRNFL) und das Makulavolumen (Makula = Bereich des scharfen Sehens) gemessen werden, um nach Netzhautatrophie zu suchen. Es wurden im Bereich der Forschung Modelle entwickelt, um die Assoziation von OCT-basierten Metriken mit dem Grad der Behinderung zu bestimmen. Diese umfassten kontinuierliche Variablen wie die pRNFL-Dicke und das Makulavolumen, um die Wirkung (Zunahme oder Abnahme) auf das Risiko einer Verschlechterung der Behinderung zu quantifizieren. Die Ergebnisse legen nahe, dass die regelmäßige Überwachung der peripapillären retinalen Nervenfaserschicht ein nützlicher digitaler Biomarker zur Überwachung der Verschlechterung der Behinderung bei MS sein könnte, zumal er mit klinischen und paraklinischen Parametern des Sehvermögens, der Behinderung und der MRT korreliert.

    Ein weiterer digitaler Biomarker, der zur Überwachung von Sehbehinderungen verwendet werden kann, ist das Kontrastsehen. Die Prüfung der Sehschärfe bei niedrigen Kontrastverhältnissen ist von Bedeutung, da bei Menschen mit Behinderung die Schwelle, bei der ein Buchstabe noch vom Hintergrund unterschieden werden kann, deutlich höher ist als bei gesunden Personen. Digital wird diese Untersuchung derzeit allerdings nur im Rahmen der Forschung durchgeführt.

    Ein Bereich der noch erforscht wird, sind die okulomotorischen Störungen, die ebenfalls auftreten können, also Störungen der Augenbewegung. Die am häufigsten beobachteten Augenbewegungsstörungen sind zum Beispiel überschießende oder zu kurz erfolgende schnelle, ruckartige Augenbewegungen beim Wechsel eines Fixpunktes), gestörte horizontale Augenbeweglichkeit, und Nystagmus (unwillkürliche Augenbewegung).]

    Welche Sprachstörungen können MS-Patienten bekommen und wie können digitale Biomarker diese testen?

    Sprach- und Sprechprobleme kommen bei 40-50 % aller MS-Patienten vor. Dazu zählt vor allem die Dysarthrie, das heißt eine neurologisch bedingte Sprechstörung, die durch eine Schädigung des zentralen oder des peripheren Nervensystems verursacht wird. Dabei kann die Lautbildung bzw. Artikulation gestört sein, aber auch die Atemkapazität, die Sprechmelodie (also eher ein monotones Sprechen), dass vermehrt Pausen gemacht werden oder die Stimme sehr angespannt ist. Und das kann man sich für die Untersuchung mittels digitalen Biomarkern auch zunutze machen.

    Da diese Beeinträchtigungen auch nur ganz leicht auftreten können, ist es für das menschliche Ohr (also den Untersucher) manchmal schwierig zu erkennen.
    Nutzt man Applikationen (Apps), anhand derer Patienten Sprach-Aufgaben durchführen und diese gespeichert und analysiert wird, hat man zum einen eine objektive Erkennung von Veränderungen, die aber auch standardisiert ist.

    Das heißt, bei Verlaufskontrollen wird sich immer auf das gleiche „Normal“ bezogen. Menschliche Unterschiede bei Beurteilungen und der Wahrnehmung (2 Untersucher können zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen) fallen also weg. Das Gleiche gilt für alle digitalen Biomarker. Sie sind standardisiert. Ein Problem könnten allerdings verschiedene Akzente oder Dialekte darstellen. Auch das Alter, die Komplexität der durchzuführenden Sprachaufgaben und die individuellen kognitiven Fähigkeiten müssen berücksichtigt werden.

    Der Vorteil von digitalen Sprachanalysen ist, dass diese auch zum Beispiel während der Visite, bei Telefonaten oder Videosprechstunden mit durchgeführt werden können, also passiv.

    Warum sind Untersuchungen von Sprache/des Sprechens wichtig?

    Neben der frühzeitigen Erfassung von Beeinträchtigungen darf man nicht vergessen, dass Sprach- bzw. Sprechbeeinträchtigungen durchaus negative Effekte hinsichtlich Berufstätigkeit und sozialer Einbindung haben, mit daraus resultierenden Einflüssen auf die Lebensqualität!

    Welche Auswirkungen haben Depression und Fatigue auf die Sprache und andere Symptome der MS und ist es möglich, trotz verschiedener Einflussfaktoren ein klares Bild über den Ist-Zustand eines Patienten zu gewinnen?

    Die Fatigue kann die Konzentrationsfähigkeit sowie die Sprech-Geschwindigkeit beeinflussen. Depressive Verstimmungen zum Beispiel zu monotoner Stimme, einer leisen Stimme oder zu negativen Einflüssen bei der Sprachanalyse führen, wenn zum Beispiel ein positives Erlebnis der vergangenen zwei Wochen berichtet werden soll, der/die Patient*in aber ein negatives Erlebnis erzählt.

    Anzeichen von Müdigkeit und Depression sind bereits bei gesunden Personen oder Patienten ohne neurologische Erkrankung nachweisbar. Da Müdigkeit, Depressionen und kognitive Beeinträchtigungen bei MS häufig vorkommen, könnten sie durch Sprachanalysen erfasst werden.

    Testbatterien können so konzipiert werden, dass sie exekutive Funktionen und Verarbeitungsgeschwindigkeit (z. B. phonematische und semantische Wortflüssigkeit), Gedächtnis (z. B. Wechsler Memory Scale und California Verbal Learning Test), Affekt und Müdigkeit (z. B. Storytelling), Sprache (Bildbeschreibung) und motorische Funktionen (Pa-ta-ka-Aufgabe) erfassen.

    Bislang ist die Durchführung solcher Sprach- und Sprachtests auf Studien beschränkt (bei uns am MS Zentrum Dresden wie gesagt ab April), doch kann man sich vorstellen, dass sie in Zukunft bei klinischen Besuchen von Menschen mit Behinderung oder sogar zu Hause durch den Einsatz spezieller Apps oder Aufzeichnungen bei telemedizinischen Besuchen eingesetzt werden können.

    Wie vielfältig sind die Ursachen für einen schlechten Gang und wie viele Tests werden benötigt, um sich ein umfassendes Bild zu machen?

    Beeinträchtigungen des Gehens sind mit ca. 85 % die häufigsten Symptome bei MS. Mehrere Faktoren tragen dabei zur Gangstörung bei Patient*innen mit MS bei.

    Sensorische Veränderungen und das daraus resultierende Ungleichgewicht, die Schwäche der unteren Extremitäten oder das Vorliegen einer Spastik sowie Kleinhirn-Ataxien haben hier wohl die größten Auswirkungen.

    Der in der Routine am häufigsten durchgeführte Test ist der 7,61-Meter-Gehtest. Wie der Name schon verrät, geht der/die Patient*in hier lediglich 7,61 Meter so schnell und sicher wie möglich, ohne zu rennen. Eine Schwester/Pfleger misst die dafür notwendige Zeit. Das Problem mit diesem Test ist aber, dass hier Auffälligkeiten bei Patient*innen beobachtet werden, bei denen augenscheinlich Beeinträchtigungen vorliegen.

    Was man nicht damit erfasst, sind Gehbeeinträchtigungen, die erst nach mehreren Minuten oder einigen zurückgelegten Metern auftreten. Auch Faktoren wie die Schrittlänge, Spurbreiten, wie fußt der Patient*in, muss mit dem Körper ausbalanciert werden, wie verändert sich das Gehen, wenn noch eine zweite Aufgabe hinzukommt, werden nicht erfasst. Diese Informationen sind aber essentiell und müssen dokumentiert und im Zeitverlauf verfolgt werden. Es ist also komplexer.

    Wir haben daher bei uns im Zentrum die multimodale Ganganalyse, die meine geschätzte Kollegin Frau Katrin Trentzsch etabliert hat. Hier werden neben dem 7,61-Meter-Gehtest auch ein 2-Minuten-Gehtest, die Erfassung des Ganges über das GaitRITE (ein Teppich, der über Sensoren Auskunft über die Schrittlänge, Spurbreite, Geschwindigkeit des Ganges gibt) mit und ohne Dual-Task (also eine zweite Aufgabe, die während des Gehens absolviert werden muss, um so mögliche Veränderung im Gangbild hervorzurufen) sowie den Romberg Stehtest und beobachten zusätzlich bei all diesen Tests die Rotationsbewegung des Körpers mittels am Körper befestigter Opalsensoren. Hinzu kommen Fragebögen, um subjektive Angaben über die Mobilität zu erhalten.

    Die Kraftmessplatte kam neu dazu, die bereits frühe Veränderungen detektieren kann. Aber das ist nur ein Teil, was das Mobilitätszentrum von Frau Trentzsch macht und machen kann. Aber es ist das, was wir jedem/r Patient*in bei uns im MS-Zentrum mindestens 1x pro Jahr anbieten.

    Was man nicht vergessen darf:
    Grundsätzlich ist es wichtig, Beeinträchtigungen des Gehens im Speziellen und der Mobilität im Allgemeinen in der täglichen Routine der Patienten zu betrachten. Das ist leider derzeit nicht vollumfänglich möglich. Die Technologie gibt es schon, aber eben allenfalls im Rahmen von Studien, noch nicht für die Routine. Fitness-Tracker oder Smartphones bieten hier gute Einsatzmöglichkeiten. Das Problem ist aber noch für die Routine-Nutzung: wo die Daten speichern, so dass Arzt und Patient diese nutzen können. Datenschutz?

    Wie werden aktuell die Einschränkungen durch MS auf Arme und Hände gemessen und was ist hier zukünftig realistisch?

    Derzeit ist der hauptsächlich verwendete Test der sogenannte 9-Hole-Peg-Test oder Stäbchen-steck-Test. Hierbei sollen jeweils mit einer Hand 9 Stäbchen in vorgebohrte Löcher auf eine Platte nacheinander eingesetzt und wieder entfernt werden. Dabei wird von einer Schwester oder Pfleger die Zeit erfasst, die dazu benötigt wird. Diese Zeit wird in Bezug gesetzt zu einer Kontroll-Kohorte (Menschen ohne Einschränkung).

    Wenn dieser Test regelmäßig gemacht wird, können Veränderungen sehr gut erkannt werden. Natürlich gibt es Schwankungen. Aber wenn beispielsweise eine Verschlechterung um 20 % über mindestens 3 Monate bestehen bleibt, ist dies klinisch signifikant.

    Diesen Test gibt es auch in etwas abgewandelter Form digital. Dazu müssen Tomaten oder Ballons zerquetscht werden, die auf dem Smartphone-Display an unterschiedlichen Stellen und in unterschiedlicher Größe erscheinen. Studien belegten bereits eine Korrelation dieses digitalen Tests mit der „herkömmlichen“ Version.

    Was hier aber noch weitere Vorteile bringt, ist, dass neben der Standardisierung und der Vermeidung, dass das Personal mal zu früh oder zu spät die Stopp-Uhr betätigt, zum Beispiel auch die Möglichkeit der Erfassung des Druckes, den die Finger auf dem Display ausüben. Oder die Zielgenauigkeit. Das sind alles Daten, die kann man mit dem herkömmlichen Test nicht erfassen. Diese sind aber wichtig! Und, nicht zu vergessen, diese Tests können zuhause durchgeführt werden, auch und vor allem dann, wenn Patienten Verschlechterungen bemerken und messen wollen.

    Auf welche Art können kognitive Probleme festgestellt werden?

    Kognitive Probleme beeinträchtigen häufig das Arbeitsgedächtnis, die Wortflüssigkeit, die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung, das verbale und visuelle Gedächtnis sowie die exekutiven Funktionen und – nach neuen Erkenntnissen – der Bereich der „Theory of Mind“ (die Fähigkeit, auf der Grundlage nonverbaler und verbalen Hinweisen auf die Emotionen anderer Menschen zu schließen). Das wären dann auch die Ansatzpunkte für mögliche Testungen.

    Der bisher eingesetzte Test ist der SDMT, bei dem Zahlen zu Symbolen innerhalb von 90 Sekunden zugeordnet werden müssen. Dieser Test adressiert das Arbeitsgedächtnis. Das Problem bei diesem Test ist, dass eigentlich auch die schulische Ausbildung mit zur Beurteilung des Ergebnisses herangezogen werden müsste, da das gleiche Ergebnis bei einem eine Auffälligkeit ist, während sie bei dem anderen völlig normal ist. Hinzu kommt natürlich, dass dieser Test auch beeinflusst werden kann durch andere Beeinträchtigungen, wie das Sehen oder der oberen Extremitäten. Trotzdem bleibt dieser Test auch bei der Digitalisierung der Test der Wahl und ist bereits auch als solcher verfügbar. Er ist schnell durchführbar und wenn regelmäßig absolviert, ermöglicht er im Monitoring doch das Erkennen von Veränderungen.

    Für den klinischen Einsatz wurde eine Reihe von vereinfachten Tests für die Kognition bei MS entwickelt, darunter Testbatterien wie der BICAMS (Brief Repeatable International Cognitive Assessment for MS), die Brief Repeatable Battery of Neuropsychological Tests und der Minimal Bewertung der kognitiven Funktion bei MS. Deren Einsatz scheitert aber an zeitlichen und personellen Engpässen (abgesehen von der Umsetzung in eine digitale Form). Aber sollte in dem Symbol-Zahlen-Test eine klinisch relevante Verschlechterung auftreten, kann eine eingehendere neuropsychologische Testung dann angeordnet werden.

    Zusammenfassung Biomarker

    Welche Entwicklungen im Bereich der digitalen Biomarker wünschst Du Dir in den kommenden 5 Jahren?

    Im Bereich der MS würde ich mir die Weiterentwicklung digitale Biomarker wünschen, die bereits frühe Progressionen erkennen können. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass alle Patienten die Möglichkeit erhalten, von digitalen Biomarkern zu profitieren und nicht nur in ausgewählten Zentren oder im Rahmen von Studien.

    Wie können Patienten dabei helfen, dass digitale Biomarker schneller Verbreitung finden, um möglichst bald von den gewonnenen Ergebnissen zu profitieren?

    Es werden derzeit sehr viele Apps oder digitale Testmöglichkeiten sowie DiGAs (digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept) entwickelt. Aber häufig ist es ja so, dass der Entwickler seine Vorstellung hat, der Arzt ebenfalls, aber der „End-Nutzer“, also der Patient, diese aus den unterschiedlichsten Gründen nicht nutzt.

    Um dies zu vermeiden geht man dazu über, diese Innovationen durch Patienten testen zu lassen, zumindest ist es unsere Empfehlung dies zu tun. Das bieten wir auch Unternehmen mit guten Ideen im Bereich der MS an, diese durch Patienten unseres Zentrums beurteilen zu lassen. Patienten sind da sehr ehrlich und auch wahnsinnig kreativ, was Verbesserungen angeht! Da bin ich immer wieder erstaunt.

    Wenn aber dann solche digitalen Möglichkeiten, die auch eine qualitativ gute Datenerfassung und Bereitstellung an den Arzt ermöglichen, existieren und funktionieren, müssen sie von Patienten konsequent genutzt werden und nicht nur zu Beginn, wenn die Begeisterung groß ist.

    Adhärenz ist da ein großes Problem. Wir schauen auch im Rahmen eines anderen Projektes an unserem Zentrum derzeit, wie die Adhärenz bei einer App ist, die Funktionstests zuhause ermöglicht und was die Ursachen mangelnder Adhärenz sind. Wir sind gespannt auf das Ergebnis!

    Blitzlicht-Runde

    Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “

    … der Antrieb, möglichst hochwertige und patientenorientierte Versorgung anzubieten und weiterzuentwickeln.

    Wie lautet Dein aktuelles Lebensmotto?

    Wenn du es eilig hast, gehe langsam.

    Sowie: Bitte mehr Life in der Work-Life-Balance. Das Leben kann sich so schnell ändern, man hat es eben nicht in der Hand…

    Mit welcher Person würdest Du gern ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?

    Wenn es um Prominente geht: Martin Luther King jr.; wobei es mir schwer fällt, mich auf eine Person festzulegen. Es gab und gibt viele interessante Menschen, mit denen ein Kamingespräch bestimmt nicht langweilig werden würde.

    Ansonsten: meine Oma, die gestorben ist, als ich noch zu unreif war, ihr zuzuhören.

    Welches Buch oder Hörbuch, das Du kürzlich gelesen hast, kannst Du empfehlen und worum geht es darin?

    Als Hörbuch kann ich „Die Purpurnen Flüsse“ (Jean-Christophe Grange) empfehlen! Sehr gut! Höre ich immer wieder.  🙂

    Derzeit lese ich viele Kochbücher. Gerade eben lese ich „Escapism Cooking“, der Titel verrät eigentlich schon, worum es geht: Die Flucht aus dem Alltag durch das Fokussieren auf die Kulinarik. Das Kochen und Genießen von Lebensmitteln. Alleine die Fotos in diesem Buch sind der Hammer.

    Verabschiedung

    Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

    Bleiben Sie informiert, was ihre MS angeht! Es ändert sich so viel in kurzer Zeit. Wir finden es äußerst wichtig, dass Patienten ihre Krankheit verstehen mit all ihren Facetten. Denn dann kann man selbst aktiv werden, wenn zum Beispiel Symptome hinzukommen oder bestehende sich verschlechtern oder sie von neuen Therapien hören, die eventuell für sie in Frage kämen. Auch was die Rechte bezüglich Verordnungen angeht etc.

    Wie können MS-Patienten auf dem neuesten Stand beim Thema digitale Biomarker bleiben?

    An jedem ersten Dienstag im Monat findet unser Patienten-Podcast statt. Es geht um alle Themen rund um die MS. Interessierte können sich auf der Homepage des Zentrums für Klinische Neurowissenschaften an der Uniklinik Dresden für den Newsletter anmelden. Sie bekommen dann den Link zum Podcast zugeschickt.

    Die Podcasts können aber auch auf YouTube angesehen werden (ebenfalls ZKN Dresden eingeben). Bei der Live-Teilnahme haben Patienten, Angehörige wie Interessierte die Möglichkeit, Fragen an den Referenten zu stellen. Themenvorschläge sind natürlich herzlich willkommen!

    ++++++++++++++++++++
    Vielen Dank an Anja für die detaillierten und gut verständlichen Einblicke in das Thema digitale Biomarker!

    Denk immer dran, sei und bleibe aktiv, informiere Dich und treffe bewusst Entscheidungen. So kannst Du ein erfülltes Leben mit Multipler Sklerose bei bestmöglicher Gesundheit führen!

    Viel Erfolg dabei und alles Liebe,
    Nele

    Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen MS-Letter.

    Hier findest Du eine Übersicht über alle bisherigen Podcastfolgen.

    #126 - Depression und MS - wie Du zur emotionalen Balance zurückfindest

    #126 - Depression und MS - wie Du zur emotionalen Balance zurückfindest
    Eine Depression kann Deinen komplettes Alltagsleben zum Erliegen bringen. Erfahre, ab wann Du Hilfe benötigst und welche Angebote es gibt.
     
    Cover zu Depression bei MS | Podcast #130, Photo by Kristina Tripkovic on Unsplash
    Depression und Stimmungsbeeinträchtigungen können Deinen kompletten Alltag zum Erliegen bringen. Folge #126 widmet sich den negativen Veränderungen der Psyche. Du erfährst, welche Auslöser es gibt, wann sie auftreten, wie sie sich äußern können, welche Unterstützungsmöglichkeiten es gibt und was Du selbst tun kannst. Jeder zweite MS-Betroffene erlebt mindestens eine düstere Phase. Gut, wenn Du bereits vorher weißt, was Du in so einem Fall tun kannst. Denn Angebote gibt es jede Menge. Und Depressionen sind sehr gut behandelbar.

    Hier geht es zum Blogbeitrag: https://ms-perspektive.de/depression-und-ms

    Wann treten Stimmungsbeeinträchtigungen und Depression auf?

    Depressionen oder Phasen voll negativer Emotionen können gleich am Anfang Deiner Diagnose stehen und durch die Diagnose ausgelöst werden.

    Schließlich muss man erst einmal verkraften, dass man, oft als junger Mensch, davon erfährt eine lebenslange Erkrankung mit ungewisser Prognose zu haben.

    Aber auch im Laufe der Jahre können solche Phasen kommen, wenn ein Schub auftritt oder MS-Symptome Wünschen und Plänen im Weg stehen. Außerdem scheint es so, als ob Menschen mit MS anfälliger für Depressionen sind.

    Wie äußern sich Depressionen?

    Depressionen können sich unterschiedlich auswirken und sind für Experten deutlich von der Fatigue abgrenzbar.

    Manchen wird alles egal. Sie verlieren die Hoffnung und werden gefühllos.

    Bei anderen steht der Interessenverlust im Vordergrund, der sich auf die Familie, den Freundeskreis, den Beruf, die Hobbys, die Gesellschaft und die Politik bezieht.

    Wieder andere bekommen Angst davor anderen Menschen zu begegnen. Das kann so weit gehen, dass sie am Ende die eigene Wohnung nicht mehr verlassen. Überhaupt können Ängste und Panikgefühle eine Ausprägung von Depressionen sein. Bezogen auf die MS kann es die Angst sein, bald nicht mehr berufstätig zu sein, Geheinschränkungen zu erleiden oder nicht mehr der eigens definierten Rolle innerhalb der Familie gerecht zu werden.

    Vielleicht leidest Du auch unter Schuldgefühlen nach dem Motto, hätte ich andere Entscheidungen getroffen, wäre ich von der MS verschont geblieben und könnte nun ein besseres Leben führen. Oder Du wertest Dich selber ab, weil Du glaubst, weniger liebenswert für andere Menschen oder weniger attraktiv für den Arbeitsmarkt zu sein.

    Die psychischen Belastungen können sogar zu körperlichen Beschwerden führen, Schlafstörungen verursachen ebenso wie dauerhafte Appetitlosigkeit bewirken.

    Werde aktiv!

    Wenn Du unter starken Stimmungsschwankungen leidest und schnell gereizt bist, kann es für Dein Umfeld schwer werden. Zeit etwas zu tun.

    Wie Du siehst, gibt es ganz viele unterschiedliche Ausprägungen und Anzeichen. Für alle gilt, eine Depression oder anhaltende Stimmungsschwankungen sind gut behandelbar, sogar oft heilbar. Du musst nur aktiv werden oder die Hilfe annehmen, die von außen an Dich herangetragen wird.

    Ein typisches Vorgehen ist die Kombination aus speziellen Medikamenten, die die Stoffwechselvorgänge Deines Gehirns wieder ins Gleichgewicht bringen und Psychotherapie. Und keine Sorge, heutige Medikamente machen nicht abhängig.

    Übrigens gibt es ganz selten auch euphorische Veränderungen, die zu Problemen führen. Denn unverhältnismäßig übersteigerte Glücksgefühle sind auch gefährlich.

    Wie kannst Du depressive Verstimmungen messen?

    Fällt es Dir schwer, abzuschätzen, ob Du dunkle Gefühle hast aufgrund nachvollziehbarer äußerer Umstände oder ob Du Hilfe benötigst? Dann führe zunächst ein Tagebuch. Das kann handschriftlich sein mit Datum und Angabe einer Skala von 1 bis 10. Wenn 1 auf Deiner Skala sehr unglücklich und traurig bedeutet und Du über Wochen immer im sehr niedrigen Bereich bleibst, solltest Du Dir Hilfe suchen.
    Natürlich gibt es auch Apps dafür.

    Apps speziell für MS beinhalten meist von vornherein einen Tracker für Stimmungsschwankungen. Bei anderen Apps kannst Du Dir vielleicht eigene Rubriken anlegen und dann befüllen.

    Wenn Du Dein Tagebuch mit mehr Details versehen willst, immer gern. Das kann hilfreich sein, wenn Du Dich für eine Behandlung entscheidest. Doch das Wichtigste ist zunächst, dass Du Dein Tagebuch jeden Tag mit einem Wert für Deine Stimmung versiehst.

    Und denk immer daran, wenn Du eine Gefahr für Dich und Deine Gesundheit siehst, im extremsten Fall Suizidgedanken hast, dann melde Dich und frage sofort nach Hilfe! Deine Familie, Freunde und die Rufnummer 112 stehen für solche Themen zur Verfügung.

    Welche Auslöser führen zu einer Depression?

    Vor Beginn einer jeden Behandlung steht die genaue Ursachenforschung.

    Dazu gehört ein ausführliches Gespräch. Wenn Du selber ein Tagebuch zu Deiner Stimmungslage genutzt hast, bringe es Deinem Arzt mit.

    Handelt es sich um das Verarbeiten der Diagnose (Schock, Verdrängung)?
    Sind Auswirkungen der MS, egal ob körperlich oder geistig gerade Dein Thema, weil sie sich auf Dein Privatleben auswirken, Du schnell ermüdest, der Arbeitsbelastung nicht mehr standhältst oder weniger intensiv mit Deinen Kindern herumtollen kannst?

    Auch die Medikamente, die Du einnimmst, sollten genauer unter die Lupe genommen werden. Denn vielleicht ist die Depression eine Nebenwirkung davon. Dann wird Dein Neurologe prüfen, welche Alternativen in Frage kommen.

    Bei einigen Betroffenen bestand schon vor der MS eine psychische Störung, die sich durch das Leben mit der Erkrankung verschlechtert hat.

    Und natürlich sollten immer auch soziale, familiäre und organische Ursachen geprüft werden, wenn eine psychische Erkrankung neu auftritt und keinen Bezug zur MS hat.

    Was kannst Du selber bei depressiven Stimmungsbeeinträchtigungen tun?

    Bei kleineren Ausprägungen, die nicht den Experten erfordern, kannst Du Dir mit verschiedenen Schreibtechniken selber helfen.

    So gibt es zum Beispiel die Morgenseiten. Gleich nach dem Aufstehen setzt Du Dich hin und schreibst so lange alles auf, was Dir durch den Kopf geht, bis Dein Kopf quasi leer geschrieben ist. Nutze möglichst einen Stift und ein Blatt Papier dafür. Das verlangsamt Deinen Schreibfluss im Vergleich zum Tippen auf technischen Geräten. So hast Du Zeit zum Reflektieren. Schreibe wirklich alles auf, von den wilden und schwer verständlichen Träumen bis zu Dingen, die Dich schon länger beschäftigen. So kannst Du alles Negative, Verstörende oder Unverständliche gleich früh morgens festhalten und auf das Papier bannen. Das ermöglicht Dir einen unbeschwerten Start in den Tag. Und oft ist ein ausformuliertes Problem, dass aufgeschrieben wurde, viel kleiner, als eines, das eine Runde nach der anderen in Deinem Kopf drehen darf.

    Achtung: Diese Technik ist gut für kleine Hürden und Probleme. Eine Depression oder Angststörung ist eine ernstzunehmende Krankheit, die professioneller Hilfe von außen bedarf. Daran solltest Du nicht allein rumdoktern.

    Resilienz

    Generell ist es immer gut, wenn Du Deine Widerstandsfähigkeit trainierst. Die sogenannte Resilienz kann Dir ein Leben lang dabei helfen, im inneren Gleichgewicht zu bleiben oder schnell dorthin zurückzufinden. Sei Dir bewusst, dass die Meinung anderer nicht gleich der Wahrheit entspricht. Du allein bestimmst über Dein Leben, Deine Werte, Deine Ziele und womit und mit wem Du Zeit verbringst. Fehler oder Phasen der Schwäche sind völlig okay und gehören zu einem normalen Leben. Niemand ist perfekt und Perfektion verbraucht enorm viel Energie. Wäge lieber ab, wie gut etwas gemacht werden muss und ob es den Aufwand rechtfertigt.

    Denk daran, dass sich Deine Leistungsfähigkeit durch die Multiple Sklerose verringern kann, dennoch bist und bleibst Du ein wertvoller Mensch.

    Sport und Bewegung sind wie so oft optimal dafür geeignet, um Deinen Zustand zu verbessern oder die Gefahr zu verringern, an Depression zu erkranken. Denn beim Sport schüttest Du Glückshormone aus. Ganz oben steht Bewegung in der Natur. Eine Runde laufen, wandern, radfahren oder skaten in der Natur, sei es der Park oder wirklich Wald, Wiesen und Berge.

    Schwimmen unter freiem Himmel, macht den meisten Menschen nur in den wärmeren Monaten Spaß, und hat noch den Vorteil die Gelenke zu schonen. Wenn Du es dann noch schaffst, Deine körperliche Aktivität gemeinsam mit anderen auszuführen, sei es an der frischen Luft oder in der Halle, dann hast Du gleich noch was für Deine sozialen Kontakte getan.

    Und denk dran, die Supermacht mit drei Buchstaben lautet I-C-H – ich. Wenn Du Dir etwas Gutes tun willst, dann kannst Du das einfach machen.

    Wo findest Du Hilfe?

    Gute erste Anlaufstellen sind die Deutsche Depressionshilfe, Dein Neurologe und die Landesverbände der DMSG.

    Auf der Seite der deutschen Depressionshilfe gibt es einen Selbsttest mit zehn Fragen, der Dir verrät, ob Du Hilfe benötigst oder das aktuell nicht / noch nicht der Fall ist.

    Wenn Dir der Selbsttest eine Depression attestiert, dann wende Dich an Deinen Neurologen, Hausarzt, einen Psychiater oder Facharzt für Psychosomatik, und zwar zügig.

    Falls es sich eher um ein vorübergehendes Tief handelt, reichen Dir womöglich die Gesprächsangebote der DMSG aus. Oft können die Mitarbeiter der DMSG Dir auch behilflich sein, wenn es darum geht, wo Du konkrete Unterstützung findest, wie einen Neurologen oder Psychiater in der Nähe.

    Beziehe Deine Familie und Freunde ein. Sie sollten wissen, wie es Dir geht. Vielleicht hilft Dir das darüber reden bereits und die dabei fließenden Tränen. Und wenn nicht, trägst Du die Last nicht mehr allein. Auf jeden Fall ist es nicht gut, lange in einem Tief zu verharren. Entweder schaffst Du es allein heraus oder Du nutzt die professionelle Unterstützung von außen.

    Wie kann Dir Psychotherapie helfen?

    Unter der Psychotherapie versammeln sich viele verschiedene Techniken. Relativ häufig sind die Verhaltenstherapie und die tiefenpsychologische Therapie. Aber das sind nur zwei Formen.

    Generell geht es darum, dass Du über Deine Probleme, Sorgen und Ängste sprichst und der Psychologe oder Psychiater Dir hilft, diese einzuordnen. Ist etwas Erlebtes wirklich normal oder eben nicht. Welche anderen Ansätze oder Wege gibt es, um ein Problem zu lösen. Psychologen können auch bei der Bewältigung von Traumata helfen. Dabei bieten sie Dir Hilfe zur Selbsthilfe. Ohne Deine Mitwirkung passiert nichts.

    Um erfolgreich an einer Psychotherapie teilzunehmen, musst Du bereit sein Dich zu öffnen. Dafür muss die Chemie mit Deinem Therapeuten stimmen. Und deshalb gibt es Kennenlernstunden. Denn falls irgendetwas Dich davon abhält Dich zu öffnen, bringt die ganze Therapie nichts. Dann such lieber etwas länger bis Du den zu Dir passenden Therapeuten gefunden hast.

    Welche Medikamente gibt es zur Behandlung von Depressionen?

    Klassisch werden Antidepressiva eingesetzt, wenn die Psychotherapie allein nicht ausreicht. Generell sollte eine Gesprächstherapie aber die Basis der Behandlung darstellen und um Medikamente ergänzt werden, wenn nötig, so die Empfehlung.

    Übrigens, die neue Generation von Antidepressiva, die selektiven Serotonin Wiederaufnahmehemmer, kurz SSRI, haben weniger Nebenwirkungen bei gleicher Wirkstärke.

    In jedem Fall ist Dein behandelnder Arzt hier der Experte.

    Was ist die beste Prävention gegen Depressionen?

    Niemand ist schuld an einer Erkrankung. Und Depression ist eine Erkrankung. Dennoch gibt es Risikofaktoren und dort kannst Du präventiv ansetzen.

    Bewege Dich regelmäßig und viel, möglichst im Freien. Dabei werden Deine Vitamin-D-Speicher aufgefüllt sowie Dein ganzer Körper mit ausreichend Sauerstoff und Glückshormonen versorgt.

    Iss gesund.

    Meide überhöhten Alkoholgenuss und andere Rauschmittel.

    Pflege Deine Kontakte, sei es durch persönliche Treffen, Telefonate, innerhalb eines Forums oder einer Social Media Plattform.

    Nimm Dir Zeit für Deine Hobbys. Denn auch dabei kannst Du positive Energie schöpfen.

    Höre Deinen Liebsten gut zu und versuche, ihre Gefühle zu verstehen, statt Lösungen anzubieten. Das sollte natürlich auf Gegenseitigkeit beruhen. Denn wenn wir uns verstanden fühlen und unser Gegenüber sich auch oder zumindest versuchen, uns empathisch in die Situation hineinzuversetzen, ist bereits ganz viel erreicht.

    Denkanstoß

    Wenn Dich die aktuellen politischen Ereignisse sehr belasten, dann konsumiere besser nur ein oder zweimal am Tag zu einer festen Zeit ein seriöses Nachrichtenangebot.

    Recherchiere, wie Du helfen kannst und hilf.

    Und führe ein Glückstagebuch. Bevor Du abends ins Bett gehst, schreibst Du in das Glückstagebuch drei Dinge, die Dich am heutigen Tag glücklich gemacht haben. Dadurch schließt Du Deinen Tag mit positiven Gedanken ab und erhöhst Deine Chancen auf angenehme Träume.

    Außerdem bleibst Du Dir all der Schönheit dieser Welt bewusst und den kleinen Freuden, die jeder täglich erlebt – sei es eine Blume, Kinderlachen oder eine besonders schöne Wolke am Himmel.

    Frage an Dich

    Hast Du schon mal über eine Psychotherapie nachgedacht oder gar durchgeführt?

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    Bestmögliche Gesundheit wünscht Dir,
    Nele

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